Ein Spiel um Macht und Liebe
leises sirrendes Geräusch von sich gab.
»Mein Bruder hatte ein ähnliches Spielzeug, als wir klein waren«, sagte die Countess, »aber seines wurde Bandalore genannt. Mal sehen, ob ich es noch kann.« Aber ihre Versuche blieben ohne Erfolg. Als das Jo-Jo schließlich zum dritten Mal schlaff am Seil herabbaumelte, gab sie es Nicholas zurück. »Ich fürchte, ich bin außer Übung.«
»Wenn du nichts dagegen hast, gehe ich hinauf ins Kinderzimmer und zeige es William.«
»Er wird begeistert sein.« Die Countess klingelte nach dem Butler, der Nicholas das Kinderzimmer zeigen sollte.
Clare fühlte sich nicht sehr wohl dabei, mit der Countess allein zu bleiben, aber das änderte sich rasch, als die Frau sie mit ihren nußbraunen Augen neugierig ansah. »Bitte verzeihen Sie Nicholas und mir, daß wir so unhöflich waren, Sie zu vernachlässigen. Vier Jahre sind eine lange Zeit, und dieser Taugenichts hat so gut wie nie geschrieben.«
»Bestimmt sind Sie froh, daß er wieder zu Hause ist, Lady Aberdare«, sagte Clare so neutral wie möglich.
»Ja, obwohl er mich an diese furchtbare Zeit erinnert.« Die Countess nahm einen der Butterkuchen. »Übrigens benutze ich den Titel nicht mehr, Miss Morgan. Nun bin ich nur noch einfach Mrs. Robert Holcroft. Oder Emily für eine Freundin von Nicholas.«
»Sie verzichten auf den Titel? Das ist aber ungewöhnlich. Ich dachte immer, Frauen Ihres Standes behalten Ihren Titel bei, wenn sie einen Bürgerlichen heiraten.«
Emilys Miene verhärtete sich. »Ich wollte nie eine Countess sein. Robert – mein Mann – und ich wuchsen zusammen auf und wußten schon sehr früh, daß wir heiraten wollten. Aber er war der jüngere Sohn eines Gutsherrn und daher ohne großartige Aussichten, ich dagegen die Tochter eines Viscounts. Als Lord Aberdare seinen ausgesprochen schmeichelhaften Antrag machte, bestanden meine Eltern darauf, daß ich annahm, obwohl er vierzig Jahre älter war als ich.«
»Es tut mir leid«, sagte Clare kleinlaut. »Das wußte ich nicht. Sie machten immer einen so heiteren und fröhlichen Eindruck. Niemand in Penreith ahnte, daß die Ehe nicht nach Ihrem Geschmack war.«
»Lord Aberdare wollte eine junge Zuchtstute, die ihm Nachwuchs gebären sollte.« Sie begann, den Kuchen zwischen ihren Finger zu zerkrümeln. »Er war recht… gewissenhaft in der Ausübung seiner ehelichen Pflichten, aber ich erwies mich als echte Enttäuschung für ihn. Es war eine schwierige Zeit.
Nicholas war mir ein… gewaltiger Trost.« Der Butterkuchen war inzwischen nur noch ein Häufchen goldgelber Krümel.
Für Clare hörte sich dies nach einem Eingeständnis an, daß Emily und Nicholas ein Liebespaar gewesen waren. Doch offenbar war die Affäre keine gewesen, die aus purer egoistischer Lustbefriedigung bestanden hatte – zumindest nicht von Emilys Seite. Obwohl Clare den Ehebruch nicht guthieß, konnte sie durchaus verstehen, wie eine unglückliche Frau sich in eine Liaison mit ihrem gutaussehenden, charmanten und etwa gleichaltrigen Stiefenkel verstricken lassen konnte. Da sie nicht wußte, was sie sonst sagen sollte, bemerkte sie: »William ist der lebende Beweis dafür, daß die Kinderlosigkeit Ihrer ersten Ehe nicht Ihre Schuld war.«
»Glauben Sie ja nicht, daß mich dieses Wissen nicht unglaublich befriedigt hat«, antwortete Emily trocken. »Wo auch immer der vierte Earl of Aberdare jetzt ist – und vermutlich ist es ein sehr heißer Ort –, dann weiß er hoffentlich, daß ich nicht unfruchtbar bin.« Sie strich sich über ihren Bauch. »Und im Herbst wird William ein Brüderchen oder ein Schwesterchen bekommen.«
»Wie herrlich. Ich gratuliere.« Clare konnte die Frage, die ihr schon länger im Kopf herumging, nun nicht länger für sich behalten. »Warum erzählen Sie das alles einer Fremden?«
Emily zuckte die Schultern. »Weil man mit Ihnen gut reden kann. Weil Nicholas sie hergebracht hat. Weil Sie aus Penreith sind. Ich denke, der letzte Grund ist der wichtigste. Wenn Sie in diesem Tal leben, dann müssen Sie auch von dem Skandal wissen, der den Tod meines Mannes und den von Nicholas’ Frau begleitet hat. Der Himmel allein weiß, was für Geschichten im Umlauf waren, aber die Gerüchte können kaum schlimmer als die Wahrheit gewesen sein. Ich verließ Wales, sobald mein Ehemann begraben war. Zu der Zeit war ich von den Ereignissen viel zu betäubt, um mir großartig Gedanken darüber zu machen, was die Leute dachten, aber hier scheint sich mir die Gelegenheit zu
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