Ein Spiel um Macht und Liebe
der Reihe ist?«
Sie schauderte, teils aus Angst, teils aus Erregung. Sie neckte einen Tiger, und wenn sie nicht aufpaßte, würde der Tiger sie zu seiner Mahlzeit machen. Sie entzog ihm ihre Hand und sagte leichthin: »Nach so einem anstrengenden Tag brauche ich dringend meine Nachtruhe.«
»Bald werden Sie ja sagen.« Seine schwarzen Augen bohrten sich in ihre. »Ich schwöre es.«
»Verlassen Sie sich nicht darauf, Nicholas.
Vergessen Sie nicht: Ihr Ziel ist es, mich zu verführen, meines, Sie zur Aufgabe zu bringen.«
Er lachte laut auf. »Sie sind ein Biest, Clare. Aber dies ist ein Wettstreit, den ich zu gewinnen beabsichtige.«
Sie schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. »Dann bereiten Sie sich auf die Niederlage vor, Mylord.«
Sie wandte sich um und huschte übermütig die Treppe hinauf.
Ihre ausgelassene Stimmung dauerte an, bis sie ihr Zimmer betrat. Nachdem sie die Tür verriegelt hatte, lehnte sie sich dagegen und ließ ihren Blick über die kostspielige Ausstattung des Raumes gleiten. Goldene Engel tanzten an der Decke, goldene Samtbehänge hüllten das meisterhaft geschnitzte Bett ein, und ihre Füße standen auf einem chinesischen Teppich, der wahrscheinlich mehr kostete, als sie in ihrem ganzen Leben verdienen konnte. Plötzlich fühlte sie sich vollkommen fehl am Platz. Gütiger Himmel, was tat die schlichte, vernünftige Clare Morgan aus Penreith an so einem Ort?
An erster Stelle waren es gute Absichten gewesen, die sie zu Nicholas geführt hatten, aber ihr unseliges Temperament hatte sie dazu gebracht, diesen Pakt mit dem Teufel zu schließen. Seitdem umtanzten sie beide sich in einem ausgefeilten Muster von Schritten, kamen sich näher und entfernten sich voneinander, wobei sie dennoch immer weiter aufeinander zu gezogen wurden. In der Mitte der Tanzfläche lauerte die Vernichtung, und dies sowohl in gesellschaftlicher als auch in religiöser Hinsicht.
Und dennoch tanzte sie weiter, denn sie hatte sich noch niemals zuvor so lebendig gefühlt. Wenn alle Sünden so aufregend, so süß waren, dann war es kein Wunder, daß die Menschheit vor allem aus Sündern bestand.
Einen Augenblick stellte sie sich ihren Vater vor, wie er vor ihr stand und sie mit tiefer Enttäuschung betrachtete – eine Enttäuschung, die ihr weher tat, als jeder Zornesausbruch es gekonnt hätte. Sie wußte, daß sie seinen hohen Anforderungen nicht genügte. Das hatte sie noch nie gekonnt, und seit sie Nicholas kennengelernt hatte, war sie wie durchtränkt von Stolz, Zorn und Lust.
Plötzlich überkam sie ein heftiges Gefühl der Trostlosigkeit, eine tiefe, schreckliche Verzweiflung. Zum ersten Mal, seit sie Penreith verlassen hatte, kniete sie nieder und versuchte zu beten. Vater unser, der Du bist im Himmel…
Ein ätherischer Vater im Himmel war keine Hilfe –
nicht, wenn die reale, tröstende Wärme von Nicholas dagegenstand. Er wollte sie. Auch wenn sein Verlangen nur vorübergehend war und genauso dem Ehrgeiz, ein Spiel zu gewinnen, entsprang wie dem Bedürfnis, seine Lust zu befriedigen, so war er doch echt und existent und unwiderstehlich. Noch nie hatte sie jemand so sehr begehrt.
Es bedeutete ihr soviel, gewollt und begehrt zu werden.
Es wäre leichter gewesen, Nicholas zu widerstehen, wenn er wirklich böse gewesen wäre, aber er war genausowenig ein Teufel wie sie eine Heilige. Am besten konnte man ihn wohl mit dem Begriff Heide bezeichnen. Ein Heide ohne Moral. Aber er war gut zu ihr, und manchmal spürte sie, daß er genauso einsam war wie sie.
Und sie kam langsam zu dem Schluß, daß die Einsamkeit sie noch stärker zu ihm hinzog als das Begehren…
Sie versuchte, sich wieder auf das Gebet zu konzentrieren, aber bei… und führe uns nicht in Versuchung brach sie erneut ab.
Es war zu spät, denn die Versuchung war überall um sie herum. Wahrscheinlich war sie ihr nur deswegen noch nicht erlegen, weil sie immer noch den ehrgeizigen Wunsch besaß, Nicholas in seinem eigenen Spiel zu schlagen. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, mußte sie sich eingestehen, daß ihre Tugend wenig zu ihrem Widerstand beitrug.
Wenn es ihr gelang, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, dann konnte sie nach Penreith zurückkehren und sich dem Klatsch und den Gerüchten stellen, denn sie würde ein reines Gewissen haben. Aber was sollte aus ihr werden, wenn sie es nicht schaffte? Sie konnte sich nicht vorstellen, als entehrte Frau ihr früheres Leben wieder aufzunehmen. Doch sie konnte wohl kaum an eine Zukunft mit
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