Ein Spiel um Macht und Liebe
einem Mann denken, der sie hauptsächlich ins Bett bekommen wollte, um zu beweisen, daß er es schaffte. Eine Heirat stand außer Frage, und als seine Geliebte konnte sie nicht leben, selbst wenn er sie weiterhin begehren sollte.
Sie gab es auf, die vorgegebenen Phrasen zu zitieren und sandte statt dessen ein Gebet aus ihrem Herzen zum Himmel. Lieber Gott, gib mir die Kraft, mich aus diesem gefährlichen Tanz zu befreien, bevor ich mich selbst vernichte.
Sie wiederholte die Worte wieder und wieder, und es war der verzweifeltste Hilferuf, den sie je an Gott gerichtet hatte. Doch obwohl sie keinen Laut von sich gab und angestrengt lauschte, erhielt sie kein Zeichen, daß irgend jemand sie erhört hatte.
Sie fühlte keine geistige Präsenz, hatte keine innere Erkenntnis, welchem Pfad sie folgen sollte.
Sie war allein, niemand hielt schützend die Hand über sie. Die einzige Wirklichkeit war dieser Tanz der Verführung, und seine schwindelerregenden Drehungen brachten sie immer näher an den Abgrund der Finsternis, Gefahr und Begierde.
Sie schlug die Hände vors Gesicht und ließ ihren Tränen freien Lauf. Noch niemals zuvor hatte sie sich so allein gefühlt.
Als Nicholas die Bibliothek wieder betrat, schenkte Lucien gerade Brandy in beide Gläser nach. »Miss Morgan meinte, sie wäre keine ehrbare Frau und daß du mir mehr darüber sagen könntest, wenn es mich interessiert.« Er nahm einen kleinen Schluck aus seinem Glas. »Es interessiert mich.
Und wie.«
Mit ein paar knappen Sätzen umriß Nicholas die Abmachung, die er und Clare getroffen hatten, ließ aber die Einzelheiten ihres Handels absichtlich weg.
Dennoch stieß Lucien einen gemurmelten Fluch aus, als Nicholas seinen Bericht geendet hatte.
»Verdammt, Nicholas, was zum Teufel ist in dich gefahren? Du hast ja immer wilde Eskapaden geliebt, aber daß du ein unschuldiges Mädchen ruinieren willst, das geht über mein Verständnis!«
»Clare ist kein unschuldiges Mädchen«, erwiderte Nicholas. »Sie ist eine sechsundzwanzigjährige Frau und gebildet genug, um als Blaustrumpf beschimpft zu werden. Außerdem hat sie einen bewundernswert regen Verstand. Sie ist aus freiem Willen bei mir.«
»Ach ja?« In Luciens Augen erschien jenes grüne Glitzern, das bedeutete, daß er sein Gegenüber nicht so davonkommen lassen würde. »Wenn du das Bedürfnis hast, der weiblichen Hälfte der Menschheit einen Schlag zu versetzen, dann such dir ein Flittchen, die es verdient hat. Ruiniere nicht das Leben einer anständigen Frau, indem du ihr Gewissen und ihre Herzensgüte als Waffen gegen sie einsetzt.«
Nicholas knallte sein Glas auf den Tisch.
»Verdammt noch mal, Lucien, ich habe dir nie das Recht gegeben, mich zu maßregeln. Deswegen bin ich auch nie offizielles Mitglied deiner heimlichtuerischen kleinen Organisation geworden, sondern habe nur gelegentlich Aufträge übernommen.«
Lucien hob seine Hand. »Pax, Nicholas, ich mische mich gewöhnlich auch nicht so gern in die Angelegenheiten anderer Leute, aber diese Sache gefällt mir nicht, und es sieht nicht so aus, als hätte Miss Morgan jemand anderen, der für sie Partei ergreift.«
»Ich habe doch nicht die Absicht, ihr wehzutun.«
»Das hast du aber schon. Du mußt doch wissen, wie im Dorf geklatscht wird. Sie wird große Schwierigkeiten bekommen, wenn sie wieder in ihr normales Leben zurückkehren will.«
Nicholas stand auf und begann eine ruhelose Wanderung durch die Bibliothek. »Fein. Dann bleibt sie eben bei mir.«
»Als Langzeitgeliebte?« fragte Lucien verblüfft.
»Warum nicht? Ich könnte es schlimmer treffen.
Wie schon oft.«
»Wenn du so denkst, dann heirate sie.«
»Niemals«, erwiderte Nicholas ohne Umschweife.
»Ich habe schon einmal geheiratet, und das war einmal zuviel.«
Nach einem langen Schweigen sagte Lucien sanft:
»Ich habe mich schon oft gefragt, was zwischen dir und der schönen Caroline vorgefallen ist.«
Nicholas wirbelte auf dem Absatz herum und funkelte seinen Freund wütend an. »Luce, Freundschaft kann auf Dauer nur funktionieren, wenn man Grenzen einhält, die nicht überschritten werden dürfen. Wenn dir unsere Freundschaft etwas bedeutet, dann kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten.«
»Offenbar war es noch schlimmer, als ich vermutet habe. Tut mir leid, Nicholas.«
»Schon gut. Wenigstens hatte sie den Anstand zu sterben.« Nicholas nahm sein Glas und hob es zu einem spöttischen Toast. »Auf Caroline, die mir so viele nützliche Dinge über das
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