Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
noch nützlich sein konnte? Aber für all diese Vorbereitungen hatte sie auch einen Preis zu zahlen, denn als sie die Treppe hinunterkam, eilten die Gäste bereits in das Speisezimmer. Broughton, der gute Junge, hatte pflichtbewusst auf sie gewartet, um sie hineinzubegleiten.
Phillippa hatte darauf gehofft, so nahe bei Marcus zu sitzen, dass sie sich flüsternd mit ihm unterhalten konnte. Aber ihr war keine Zeit geblieben, ihrer Gastgeberin ihren Wunsch mitzuteilen, sodass sie sich nicht nur weit entfernt von Marcus ganz am anderen Ende des Tisches wiederfand, sondern auch noch direkt neben Lord Sterling!
Sie ließ nichts unversucht. Hustete diskret oder lachte überlaut, um Marcus’ Blick auf sich zu lenken, aber vergeblich … zum Teufel noch mal, sie hätte sogar versucht, sich ihm pantomimisch bemerkbar zu machen, wenn sie es erstens hätte tun können, ohne dass irgendjemand anders es bemerkte, und wenn ihr zweitens Pantomimen nicht so verhasst gewesen wären. Nein, sie glaubte nicht, dass Marcus sie ignorierte, obwohl er natürlich alles Recht der Welt dazu hatte, nachdem sie ihn gestern Abend so ruppig zurückgewiesen hatte. Nein, da er seine Brille nicht aufgesetzt hatte, nahm sie vielmehr an, dass er auf diese Entfernung nicht viel mehr erkennen konnte als ein verschwommenes Durcheinander.
Als das Dessert serviert wurde, war Phillippa ein nervliches Wrack. Sie versuchte, ihre Aufmerksamkeit der Unterhaltung mit Lord Sterling zu widmen, der aber nur so aufwieglerische Worte wie eine Bemerkung über das Essen über die Lippen brachte oder sich bei ihr nach den Heiratsaussichten seiner Tochter erkundigte.
Als Gastgeber und Gastgeberin sich erhoben, war auch Phillippa sofort auf den Beinen. Und Broughton ließ Lady Jane stehen, um Phillippas Arm zu ergreifen.
Da für Tanz und Amüsement gesorgt war, verzichtete man dieses Mal glücklicherweise darauf, dass die Ladys sich entschuldigten und die Männer sich selbst überließen. Fröhlich und ausgelassen bewegte sich die gesamte Gästeschar in den Ballsaal.
Es ist keine leichte Aufgabe, sich elegant und würdevoll zu bewegen, wenn man verzweifelt versucht, zu jemandem zu gelangen. Und es war auch keine große Hilfe, wenn man es mit seidenen Tanzschuhen an den Füßen und in einem cremefarbenen Ballkleid versuchte und darüber hinaus von einem schlecht gelaunten Marquis begleitet wurde.
»Ich hoffe, mein bisheriges Benehmen heute Abend trifft auf Ihre Zustimmung«, stieß Broughton atemlos aus, was Phillippa veranlasste, ein leicht boshaftes Lächeln aufzusetzen.
»Sie sind ein vollendeter Gentleman. Es kann doch wohl nicht sein, dass Sie versuchen, meine Entscheidung ins Wanken zu bringen?«
In Broughtons Augen blitzte es auf, als sie – beide gleichermaßen elegant – durch die wogende Menge schritten. »O doch, und das ganz ungeniert«, erwiderte Broughton.
»Phillip.« Sie lächelte und machte einen Schritt auf ihn zu. Als eine Gruppe junger Leute, die es kaum erwarten konnten, auf das Tanzparkett zu kommen, Phillippa anstieß, legte sie ihm die Hand auf die Brust. »Sie verstehen sich darauf, Balsam auf das verwundete Ego einer jungen Frau zu träufeln.«
Phillippa und Broughton war es schließlich gelungen, die Halle zu durchqueren und in das Zentrum der Festlichkeiten zu gelangen. Unglücklicherweise war Marcus ihnen so weit voraus, dass er seine Dinnerpartnerin Nora bereits auf das Parkett geführt hatte, als sie den großen Ballsaal erreichten – der mit Seide in herbstlichen Farben geschmückt war und in dem das Orchester gerade ein Menuett spielte.
»Oh, verflixt.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und beobachtete Marcus, der Nora in eine Drehung führte. Dabei hatte sie ihm beim Dinner doch so viel Aufmerksamkeit gewidmet, oder etwa nicht? Phillippas Gesicht färbte sich rot, als sie sich an etwas erinnerte: Jedes Mal, wenn sie zu Marcus hinübergeschaut hatte, war Nora bei ihm gewesen und hatte über eine Bemerkung gelacht oder ihre Hand hatte wie zufällig seine berührt. Und jetzt hatte sie ihn sogar dazu gebracht, mit ihr das Parkett zu erobern! Und als ob das noch nicht genug wäre, sah er auch noch aus, als würde er es genießen!
Bildete sie es sich ein – oder sah Marcus heute Abend wirklich auf geradezu irrwitzige Weise attraktiv aus? Sein Haar war dem modischen Schnitt gerade so weit entwachsen, dass es stilvoll aussah; seine Kleidung war tadellos. Mehr als eine Lady, eingeschlossen Nora, hatte anerkennend den Blick
Weitere Kostenlose Bücher