Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Mehr war mir nicht möglich.«
»War es nicht?«
»Nein. Obwohl ich wusste, dass Sie auf mich warten.« Er zupfte sich am Kragen; offenkundig war er es nicht gewohnt, dass sein Charme versagte.
»Habe ich das?« Phillippa neigte den Kopf zur Seite.
»Phillippa, bitte seien Sie nicht so grausam«, flehte Broughton. Er atmete tief durch und erlaubte es seinem Lächeln, wieder seinen ganzen Charme zu versprühen. »Aber heute Nacht werde ich Sie nicht enttäuschen.«
»Werden Sie nicht?«
»Ich versichere Ihnen, dass ich ausgesprochen gut ausgeruht bin.« Er streckte die Hand nach ihrem Kinn aus und hob es zart in seine Richtung. Dann lächelte er zu ihr hinunter, und wieder musste Phillippa sich eingestehen, dass er der attraktivste Mann in ihrer Bekanntschaft war; und sie war auch überrascht, wie viele Zähne Broughton noch hatte. Bestimmt mehr, als in seinem Alter üblich war. »Bitte warten Sie, bis ich heute Nacht an Ihre Tür klopfe.«
»Nein, Phillip«, lehnte sie ab, schaute ihm in die Augen und lächelte. Sie gingen so langsam den Korridor entlang, dass Phillippa überzeugt war, alle Blicke auf sich zu ziehen. Aber sie sprach so leise, dass niemand verstehen konnte, worüber sie sich unterhielten.
»Nein?«, echote er.
»Ich habe festgestellt, dass mir die Warterei gar nicht gefällt. Und Sie haben selbst eingestanden, dass Sie mich die ganze Nacht haben warten lassen.«
Broughton kniff die Brauen zusammen. »Aber Sie sagten doch, dass wir an diesem Wochenende Stunden miteinander verbringen können. Ganz für uns allein … «
»Also wirklich, Phillip, ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich irgendwelche Versprechen gegeben habe.«
Inzwischen waren sie vor ihrer Tür angekommen und blieben stehen. Phillippa trat einen Schritt auf ihn zu. »Aber heute Nacht wird es Stunden geben, in denen niemand uns beobachten kann. Jedoch werde ich nicht darauf warten, dass Sie an meine Tür klopfen.«
»Aber … «
»Sie werden darauf warten müssen, dass ich an Ihre klopfe.«
Er grinste über das ganze Gesicht und zeigte wieder alle Zähne. Ob man wollte oder nicht, er sah einfach außergewöhnlich gut aus; wenn er lächelte, fiel ihr das jedes Mal aufs Neue auf. Und es war wunderbar, dass sie ihn so mühelos manipulieren konnte. Ja, der arme Kerl glaubte wirklich, dass er gewonnen hatte, als er fragte: »Um welche Uhrzeit?«
»Welche Uhrzeit?«
»Um welche Uhrzeit Sie an meine Tür klopfen.«
»Himmel noch mal, ich habe doch noch gar nicht entschieden, ob ich es überhaupt mache.« Mit einem Lächeln auf den Lippen schlüpfte sie in ihr Zimmer und schlug ihm lachend die Tür vor dem schockierten Gesicht zu.
Das war ihr bisher größter Spaß an diesem Wochenende gewesen. Und den gequälten Broughton zu sehen, wie er sich beim Essen mit ihrer Herausforderung herumplagte, war der zweitgrößte.
Allerdings fühlte Phillippa sich beim Dinner an diesem Abend recht unbehaglich. Noch nicht einmal der Anblick von Lady Jane, die links von Broughton saß und ebenso verzweifelt wie vergeblich versuchte, dessen Aufmerksamkeit zu erringen, konnte ihr ein Lächeln auf die Lippen zaubern.
Und dem Essen konnte sie ganz bestimmt nicht die Schuld daran geben! Lady Hampshires Koch hatte alle Register gezogen, das beste Geflügel war für diese Gelegenheit geschlachtet und zubereitet worden, die Soßen waren ein Gedicht und die Soufflés luftiger als Luft.
Aber es war unmöglich zu essen, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren oder besser gesagt sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren als darauf, dass sie Marcus noch berichten musste, was sie bei den Ställen beobachtet hatte.
Kaum dass die Begegnung mit Broughton vorüber war, hatte Phillippa eilig ein Bad genommen und sich wieder angekleidet, diesmal für die Festlichkeiten des Abends. Niemand wusste, womit sie zu rechnen hatten, und daher war sie unschlüssig, was sie anziehen sollte. Sie spielte mehrere Möglichkeiten durch, bis sie sich für ihre strapazierfähigsten Tanzschuhe entschied und für eine weitere Arbeit von Madame Le Trois; die Röcke des umwerfend dekadenten Kleides aus cremefarbenem Satin mit silbernem Besatz waren groß genug für Taschen. Sie setzte immer modische Akzente. Mehr als eine junge Lady würde heute Abend ein Kleid mit weiterem Rock tragen – und das nur wegen Phillippas Wunsch nach Taschen!
Sie stopfte einen Kerzenstummel in die Tasche, ein paar Münzen, sogar Tottys kleines Nähzeug. Woher sollte sie wissen, wozu es
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