Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
mit Mr. Worth sprechen, Nora«, sagte sie etwas sanfter, »bitte, Thomas Hurston ist den ganzen Abend schon einsam. Du bist der einzige Mensch weit und breit, der ihm ein Lächeln auf die Lippen zaubern kann.«
Nora zog die Nase kraus, warf zuerst einen Blick auf Thomas Hurston und einen weiteren verstohlen auf den Marquis of Broughton.
»Na gut, aber sag anschließend nicht, ich hätte dich nicht gewarnt«, sagte sie und eilte davon.
Ich bin gebührend gewarnt, dachte Phillippa und wandte sich wieder Marcus zu.
Natürlich hatte er von ihr geträumt. Der Schlummer am Nachmittag hatte ihm ein paar fiebrige Erinnerungen daran gebracht, wie es war, sie zu schmecken, zu berühren. An die Art, wie ihr das schlichte Nachthemd über die Schultern gefallen war. Dann hatte die Erinnerung sich mit seiner Fantasie vermischt, und die Vorstellung, dass seine Haut sich an ihren festen Brüsten rieb, an ihrem nackten Bauch, an ihrem Schoß, diesem Ort verheißungsvoller irdischer Freuden …
Es war unnötig zu sagen, dass er länger geschlafen hatte als beabsichtigt.
Denn sobald er erwachte, war er gezwungen, sich daran zu erinnern, dass sie ihn letzte Nacht zurückgewiesen hatte.
Wieder einmal.
Und das schlug ihm auf den Magen wie ein kalter Klumpen Blei.
Byrne hatte erwähnt, dass er Phillippa im Flur begegnet und dass sie mit Broughton zusammen gewesen war. Und zu beobachten, wie Broughton sie während des Dinners traurig angestarrt, wie er sie beflissen durch die Halle begleitet hatte, zu denken, dass der Mann im Grunde genommen nichts war als ein Hündchen an der Leine, hatte ihn noch zorniger gemacht. Kaum zu glauben, dass Phillippa so jemanden bevorzugte …
Marcus seufzte. Byrne hatte recht. Er hatte sein Ziel aus dem Blick verloren. Ihre Beziehung bestand in dem Nutzen, den sie voneinander hatten. Er brauchte ihre gesellschaftlichen Kontakte; sie würde ihn benutzen, um ihren Ball zu einem Erfolg zu machen. Irgendwie war in seinem Kopf einiges durcheinandergeraten, und er hatte sich eingebildet, sie könnte sich vielleicht sogar für ihn interessieren. Was einfach nur lächerlich war.
Byrne hatte zwar am Dinner teilgenommen, war aber verschwunden, sobald Tanz und Geselligkeit begonnen hatten. Da Marcus in der Gesellschaft inzwischen recht bekannt geworden war, hatten sie beschlossen, dass er sich auch eine Weile bei den anderen Gästen sehen lassen sollte. Byrne würde sich in der Zwischenzeit am anderen Ende des Saales postieren. Sein Stock war die perfekte Entschuldigung, das Tanzparkett zu meiden. Sein Beobachtungsposten lag in nächster Nähe der Tür, die, wie Marcus am Abend zuvor herausgefunden hatte, zu einer Treppe führte, über die man in Lord Hampshires Privatbibliothek gelangen konnte, in der sich auch sein Tresor befand.
Marcus hatte beabsichtigt, ein paar Mal zu tanzen, bevor er sich Phillippa näherte. Sich lässig und ungezwungen dabei zu bewegen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so unvermittelt auf ihn zusteuern würde.
»Mrs. Benning.« Marcus verbeugte sich. Phillippa knickste oberflächlich, bevor sie herausplatzte.
»Marcus … Mr. Worth, ich suche Sie schon seit einer Ewigkeit … «
»Ach, wirklich? Ich bin doch gar nicht so schwer zu finden. Ich war im Esszimmer, falls Sie sich erinnern.«
»Ich meinte, dass ich schon seit Ewigkeiten versuche, Sie zu sprechen. Heute Nachmittag habe ich … «
»Ich hatte auch gehofft, Sie zu sprechen«, unterbrach er sie. »Ich denke zwar, dass das Parkett sich nicht besonders gut dazu eignet, aber … letzte Nacht war ich sehr unhöflich, und ich hatte kein Recht, in Ihre Privatsphäre einzudr…«
»Marcus, das ist mir vollkommen gleichgültig. Um Himmels willen, heute Nachmittag habe ich Sterling mit einem Fremden beobachtet!«
Das ließ ihn innehalten.
Die Musik hatte wieder angefangen zu spielen; die Tanzenden bewegten sich so schwungvoll durch eine Quadrille, dass Marcus und Phillippa noch tiefer in die Reihen am Rande der Tanzfläche gedrückt wurden.
Quer durch den Saal suchte er den Blick seines Bruders und fand ihn. Um ihm zu verstehen zu geben, dass er die Situation begriffen hatte und an seinem Posten blieb, sollte Byrne eine Braue hochziehen und kurz nicken. Marcus nickte zurück.
»Kommen Sie mit.« Er schnappte Phillippa am Arm und zerrte sie an den lachenden Tänzern vorbei, wich erhobenen Armen und Doppelschritten aus, während sie sich den Weg zum Haupteingang des Ballsaals bahnten.
»Marcus … !«, rief Phillippa
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