Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
über ihn schweifen lassen, und mindestens ein Mann. Marcus war auf dem besten Weg, in den höchsten Kreisen als einer der ihren akzeptiert zu werden. Schon bald würde er nicht mehr auf sie angewiesen sein.
Ein erschreckender Gedanke, den Phillippa nach einer knappen Sekunde aus ihrem Kopf verscheuchte. Sie hatte Wichtigeres zu tun. Sie musste zu Marcus und mit ihm über diesen unbekannten Mann sprechen!
»Ich fürchte, ich muss Sie jetzt verlassen«, kündigte Broughton an und führte ihre Hand an seine Lippen. »Ich habe Lady Jane einen Tanz versprochen und möchte das so schnell wie möglich hinter mich bringen.«
»Schön«, erwiderte Phillippa zerstreut.
»Sie sind nicht … böse?«, erkundigte sich Broughton verwirrt.
»Nein, gehen Sie schon.« Phillippa schickte ihn mit einer Geste fort, ohne den Blick von Marcus und Nora zu lassen.
»Aber, Phillippa … warum?«
Sie erinnerte sich an das Spiel und warf ihm ein bezauberndes Lächeln zu. »Weil ich weiß, dass Sie sofort danach wieder zurück sein werden.«
Brummig stakste Broughton davon. Vielleicht habe ich zu viel Spaß daran, ihn an der Kette durch die Manege zu führen, dachte sie, während sie geduldig darauf wartete, dass das Menuett endete. Höchstwahrscheinlich wird er die Kette bald abschütteln.
Aber darüber konnte sie sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Ungefähr ein Dutzend Gentlemen hatten sie gebeten, diesen Tanz mit ihr tanzen zu dürfen; aber sie hatte abgelehnt und behauptet, es sei zu spät, um sich noch dem ersten Tanz anzuschließen. Langsam bahnte sie sich ihren Weg durch die Menge der jungen Ladys und Gentlemen, durch die Reihen der mütterlichen Matronen und deren geduldigen Ehemännern, die sich am Rande der Tanzfläche postiert hatten. Der Ballsaal war so geräumig wie die meisten großen Säle im Tudor-Stil, entsprach aber trotzdem nicht ganz den modernen Standards. Daher fanden nur zwei Reihen Tänzer Platz, während der Rest sich gnadenlos an die Längsseiten quetschte. Und angesichts der Vorliebe Lady Hampshires für Gesellschaften herrschte im Ballsaal eigentlich immer Hochbetrieb. Gleichwohl hatte Phillippa ihr Ziel fest im Blick und ließ nicht zu, dass ihr ein Hindernis – etwa in Gestalt anderer Gäste – in die Quere kam.
Mochte es auch ihren Zorn entfacht haben, Nora mit Marcus tanzen zu sehen (wenig elegant, wie sie befand), so wusste Phillippa, dass auch ein Vorteil darin lag. Denn wenn sie es von Nora verlangte, würde die ihr den Tanzpartner überlassen, ohne groß Fragen zu stellen.
Und genauso war es dann auch.
»Nora, dürfte ich ein Wort mit Mr. Worth sprechen?«, fragte Phillippa. Sie hatte ihre Freundin begrüßt, nachdem die letzten Takte des Menuetts verklungen waren und die Gäste applaudierten.
Nora nickte und lächelte. »Selbstverständlich. Aber da drüben sehe ich den Marquis of Broughton, wie er gerade Lady Jane aufs Parkett führt.«
Phillippa lächelte Marcus an, ergriff Nora am Arm und zog sie ein paar Zentimeter zur Seite.
»Nora, ich brauche nur ein paar Minuten«, flüsterte Phillippa bittend, aber in einem Ton, der keine Fragen zuließ. Nur dass Nora noch nie zu jenen gehört hatte, die keine Fragen stellten.
»Phillippa, was machst du eigentlich?«, wisperte sie. »Broughton tanzt mit Lady Jane, und du hast nichts anderes zu tun, als mit Mr. Worth zu sprechen? Ich weiß, er ist dein ›Projekt‹ oder irgendwie so etwas, aber mal ehrlich, ich habe während des Dinners neben ihm gesessen, und er war so unglaublich stumpfsinnig … er hat nicht einmal ein Kompliment über mein Kleid oder meine Frisur gemacht. Ich weiß nicht, was du in ihm siehst.«
»Nein, das weißt du wirklich nicht«, pflichtete Phillippa bei.
Nora zuckte schockiert zurück. Auch Phillippa war ein wenig schockiert, denn es geschah nur selten, dass ihr die Wahrheit so unverhüllt über die Lippen kam. Aber sie behauptete ihr Terrain. Nora auch, nachdem sie sich erholt hatte.
»Broughton verhält sich gegenüber Lady Jane ausgesprochen aufmerksam. Und wenn du nicht aufpasst, wirst du ihn verlieren.«
Ein rascher Blick bestätigte Phillippa, dass Nora recht hatte. In seinem Flirt mit Jane zog Broughton alle Register. Offensichtlich ein Trick, um sie eifersüchtig zu machen. Phillippa richtete sich zu voller Größe auf und trat näher zu ihrer Freundin. »Es sieht vielleicht nicht danach aus, aber Broughton habe ich voll und ganz in der Hand. Er kommt ganz gut ein paar Minuten ohne mich aus. Und ich muss
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