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Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Titel: Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Noble
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Verlust von Alistair betrauert hatte, den Verlust ihres gemeinsamen Lebens – in den ersten vier Wochen nach seinem Tod. Dann hatte sie genug davon gehabt, sich von ihrer Familie verhätscheln und bemitleiden zu lassen, und hatte beschlossen, in das alte Benning-Haus am Grosvenor Square zu ziehen; da Alistair der jüngste und letzte Spross der Familie gewesen war, hatte sie das Anwesen geerbt. Aber schon bald hatte sie festgestellt, dass sie ein leeres Haus geerbt hatte, dessen Fassade erhalten worden war, um dem schönen Schein zu genügen. Und dann hatten die Gläubiger an ihre Tür zu klopfen begonnen – glücklicherweise an die des Dienstboteneingangs. Auf diese Weise gestanden sie Phillippa zu, sowohl ihre Würde zu wahren als auch die Lüge über Alistairs Zahlungsfähigkeit. In der Öffentlichkeit hielt sie auch das Lügenmärchen über Alistairs Liebe aufrecht. Witwen mit Liebeskummer waren um so vieles anziehender als die zornigen, verbitterten.
    Phillippa erzählte Marcus fast die ganze Geschichte – diese Geschichte, die sie noch nie zuvor jemandem anvertraut hatte.
    Fast.
    »Und das«, schloss sie, »ist die Geschichte meiner Ehe.«
    Und mehr wollte sie nicht dazu sagen.

21
    Die Erschöpfung kam schnell. Genau wie das Fieber.
    Marcus hatte all seine Kraft und Energie darauf konzentriert, mit ihr zu reden, während sie die Kugel aus seiner Schulter entfernte. Kaum war das geschafft, schwand seine Willenskraft rapide.
    Phillippa presste einige Stücke Leinen auf die Wunde, damit der Druck die Blutung zum Stillstand brachte. Sie half Marcus, sich wieder aufzusetzen, und band ihm die zerknitterte Krawatte um den Körper, um den Verband zu fixieren und Druck auf die Wunde auszuüben. Der Schmerz pulsierte heftig in seiner Schulter, und für einen Tropfen Laudanum aus Byrnes Vorrat hätte Marcus direkt töten können. Aber er musste bei klarem Verstand bleiben und konnte es nicht riskieren, sich zu betäuben, jedenfalls nicht bis zu den wonnigen Ausmaßen, die diese kostbaren Tropfen schenken konnten. Also beschränkte er sich auf einen Schluck Brandy aus der Flasche auf dem Nachttisch.
    Phillippas nervliche Anspannung hatte fast ganz nachgelassen, da der größte Teil der Quälerei für sie vorüber war. Für Marcus dagegen ging die Tortur weiter.
    Phillippa murmelte besänftigende Worte, keine Sätze, nur einen schlichten Kinderreim, während sie ihm mit einem feuchten Tuch Stirn, Nacken und Brust kühlte. Marcus war zu müde und zu dankbar, um ihre Fürsorge abzulehnen. Zudem hatte seine Haut zu glühen begonnen, denn das erwartete Fieber hatte sich eingestellt, die wahre Gefahr im Kampf um Genesung.
    Phillippa half ihm, sich wieder bäuchlings aufs Bett zu legen, und fuhr ihm mit dem kühlen, feuchten Tuch in langen Strichen über den Rücken.
    Warum hatte sie sich entschieden, ihm von ihrem Ehemann zu erzählen? Keine vierundzwanzig Stunden zuvor war das Thema noch tabu gewesen, und heute hatte sie ihm anvertraut, dass sie in der Liebe enttäuscht worden war. Der Schutzwall, den sie um ihr Herz errichtet hatte, schien einen ersten feinen Riss bekommen zu haben.
    Es gab nur zwei Gründe, mit denen Marcus sich ihr Eingeständnis erklären konnte. Erstens, ihr Verhältnis zu Lady Jane war so erschüttert und düster, dass sie das niemandem offenbaren wollte. Daran zweifelte er jedoch, denn sie mochte hart und stolz und klug sein, kalt hingegen war sie nicht. Jedenfalls eigentlich nicht. Ebenso wenig wie Lady Jane, auch wenn er sie zu wenig kannte, um das beurteilen zu können.
    Der zweite Grund könnte sein, dass Phillippa gewollt hatte, dass er es erfuhr, warum auch immer. Sie wollte ihn in ihr Leben lassen, in diesen Teil, der allen anderen unbekannt war. Falls das stimmte, dann war er es – und nicht Broughton oder irgendein anderer der vielen Bewerber um ihre Gunst – , der den Schutzwall durchdringen konnte.
    Ein erregender Gedanke. Aber auch ein erschreckender.
    Denn als er in die warme Dunkelheit hinüberschwebte und der süße Sog des Schlafs ihn an sich zog, sah Marcus wieder jenen Moment vor sich, als das Metall im Irrgarten aufblitzte und er ihren Körper in der allerletzten Sekunde mit seinem geschützt hatte.
    Bei ihm war Phillippa nicht sicher.
    Er durfte nicht derjenige sein, der den Schutzwall um ihr Herz niederriss.
    Denn die Kugel hätte sie ebenso gut mitten hinein treffen können.
    Marcus fiel in einen unruhigen Schlaf. Phillippa tat ihr Bestes, ihn zu kühlen, und verbrauchte dafür

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