Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
herumgelaufen.«
»Ich finde, wir sollten einen neuen Anfang wagen.« Phillippa streckte ihm die Hand entgegen. »Mrs. Benning. Wie geht es Ihnen?«
Er musterte ihre ausgestreckte Hand. Ergriff sie zögernd.
»Broughton«, sagte er.
»Sehr angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir einen Besuch abzustatten, Lord Broughton?«, wagte sie sich vor. »Vielleicht schon morgen?«
»Zum Tee?«, schnaubte Broughton.
Phillippa versprach ihm nichts. Sie bot nicht an, sie nach der Teezeit zu besuchen oder nach dem Tee länger zu bleiben oder ihn an irgendeinem dunklen, abgelegenen Platz zu treffen. Sie brachte es nicht fertig, ihm ein Versprechen zu geben, von dem sie wusste, dass sie nicht bereit war, es auch zu halten. So weit reichte ihr Wunsch nach Rache nun auch wieder nicht. Stattdessen lächelte sie ihn an, ließ den Blick an ihm hinauf- und hinunterschweifen. »Kutscher!«, rief sie. Die Peitsche ließ die beiden Braunen antraben; Broughton blieb verwirrt und lächelnd zurück. Und hatte Phillippa wieder einmal die Kontrolle über das Spiel überlassen.
Was dazu führte, dass Phillippa, als sie den Park verließ, nachdem sie aller Welt einen Gruß zugenickt hatte, kein Wort verlor, als sie die Kutsche der Worths mit Marcus und einer Frau mit weißer Haube im Innern erblickte. Ebenso wenig hielt sie an. Sie fuhr einfach weiter, den Blick starr geradeaus gerichtet.
Von diesem Zeitpunkt an warf Phillippa sich mit Genuss zurück in die Rolle der berüchtigten Phillippa Benning, die Runde um Runde an allen Gesellschaften und Zusammenkünften teilnahm, die selbst mit den fröhlichsten Festivitäten am lustigen Hofe des Prinzregenten konkurrieren können. Sie ging in die Oper, wo sie nach jedem Akt in so helles und fröhliches Lachen ausbrach und so angeregt mit dem pfauenhaften Lord Draye plauderte, dass sie unausweichlich mehr und mehr Leute zu sich in die Loge zog. Stundenlang tanzte sie auf unzähligen Bällen, und wenn eine Festlichkeit zu Ende war, suchte sie die nächste auf. Sie wurde zum Pulsschlag jedes Ereignisses in den gehobenen Kreisen, besuchte musikalische Veranstaltungen, Kartenspielabende und literarische Salons in einer geradezu alarmierenden Anzahl. Sie gab ihre Meinung kund, sagte, dass Mrs. Archibalds jüngster Schauerroman nicht ganz auf der Höhe war, während Miss Austens Werk ihr irgendwie provinziell erschien. Allerdings war sie auch so höflich, Mrs. Hurston, die wieder einen Turban trug, nicht zu schelten, fühlte sich aber gezwungen, die Vorliebe der Frau für schreckliche Federn in ihrer Frisur zu erwähnen. Und wieder hatte sie alle Welt in ihren Bann geschlagen.
Broughton machte ihr seine Aufwartung zum Tee. Tagelang. Genau wie Nora, Lady Jersey, Fürstin Esterhazy und jeder junge Kerl im heiratsfähigen Alter in London. Als Penny Sterling mit Louisa Dunningham auftauchte, war Phillippa freundlich, aber zurückhaltend. Sie gab zu erkennen, dass sie nicht mehr tat, als deren Anwesenheit zu tolerieren, ohne sie zu ermutigen. Das erreichte sie, indem sie ihre Unterhaltung auf das geringste Maß beschränkte und sich auf eher schlichte Themen konzentrierte, die Penny und Louisa hoffentlich nicht überforderten. Nachdem sie eine halbe Stunde in Phillippas pinkfarbenem Salon gesessen hatten und wieder gegangen waren, konnten Nora und Broughton nicht mehr anders als albern zu kichern.
»Oh, Phillippa!«, rief Nora, sobald sie wieder zu Atem gekommen war, »wie bösartig du doch bist! Ich hatte befürchtet, dass Penny Sterling in Tränen ausbricht, als du ihr besticktes Retikül deklassiert genannt hast!«
»Als ob das unbeholfene Ding überhaupt wüsste, was ›deklassiert‹ heißt«, stimmte Broughton zu. »Ich muss schon sagen, Phillippa, dass ich Ihre Teegesellschaften sehr genieße. Sie schaffen es, sie besonders unterhaltsam zu gestalten.«
Phillippa lächelte ihn an und spielte mit ihren Fingern über Broughtons, als sie ihm eine frische Tasse Tee reichte, eine neue indische Mischung, die sie insgeheim verabscheute, während Broughton sich begeistert darüber geäußert hatte.
»Aber ich begreife nicht ganz, warum Sie sie überhaupt zu Ihren Bekanntschaften zählen«, hakte Broughton nach und trank einen ordentlichen Schluck.
Phillippa zuckte elegant die Schultern. »Ich hatte angenommen, dass Miss Sterling und Miss Dunningham vielleicht zu interessanten jungen Frauen herangebildet werden könnten. Offenkundig lag ich falsch.«
Bei ihren Worten
Weitere Kostenlose Bücher