Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Lady hat mir sofort zugestimmt. Wir gehen stattdessen nach Vauxhall! Broughton hat eine Loge für das Essen reserviert.«
»Mrs. Hurston hast du es also erzählt«, Totty zog die Brauen hoch. »Aber hast du auch Lady Worth informiert, dass du deine Pläne geändert hast?«
Eine winzige Sekunde lang erstarrte Phillippa in ihrer Bewegung. Eigentlich hatte sie vorgehabt, Mariah zu schreiben. Eigentlich. Aber sie wusste nicht, was sie ihr sagen sollte. Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass Mariah die Einzige war, die hinter ihre Fassade blicken und die wahren Gründe ihrer Entscheidungen durchschauen würde. Und das war etwas, was sie unmöglich ertragen konnte. Daher hatte sie es von einem Tag auf den nächsten geschoben, die Nachricht zu verfassen. Und jetzt war es zu spät.
»Mariah ist eine sehr intelligente Frau«, entgegnete Phillippa. »Sie wird es verstehen.«
An jenem Abend wartete Mariah Worth im Salon mit ihrem Ehemann geduldig auf die Ankunft ihrer Gäste. Genau vor vierzehn Tagen hatte sich hier der Höhepunkt der Saison abgespielt: Bis unter das Dach hatten sich die interessantesten, einflussreichsten Gäste im Haus gedrängt, allesamt bereit, das Waisenhaus finanziell zu unterstützen. Seit sie mit Phillippa Bennings Engagement rechnen konnte, hatte Mariah beschlossen, einen kompletten neuen Flügel an ihre Schule anzubauen, und sie brannte darauf, ihrer Freundin die Pläne des Architekten zu zeigen.
Als die Uhr jedoch zur verabredeten Stunde schlug und nur eine dürftige Gästeschar versammelt war, musste Mariah den Tatsachen ins Auge blicken: Niemand war erschienen, der wirklich Einfluss ausübte, am allerwenigsten Phillippa Benning.
Während des Dinners lächelte sie tapfer, lauschte dem spärlichen Klatsch über Phillippa Benning, die nur noch die exklusivsten Gesellschaften der Stadt besuchte und die in dieser Woche mehrmals in der Gesellschaft des Marquis of Broughton gesehen worden war. Mariahs Lächeln fiel allerdings erst in sich zusammen, als beschrieben wurde, wie Phillippa davon geschwärmt hatte, am heutigen Abend mit dem Marquis nach Vauxhall zu gehen. Aber wenn sie bei Mrs. Benning überhaupt irgendetwas gelernt hatte, dann das, wie man unangenehme Situationen überspielte, und so lenkte sie das Gespräch fröhlich auf Jackie, Jeffie und all deren Freunde und weg von ihrer Enttäuschung.
Nachts, als sie im Bett lag, hielt Graham Worth seine Frau fest im Arm. »Mach dir keine Sorgen, Liebste«, sagte er, »Phillippa Benning ist ein grausames, boshaftes Geschöpf. Für Marcus ist es gut, dass er sie los ist.«
»Aber so ist es gar nicht«, widersprach Mariah. »Ich glaube, sie ist nur verletzt.« Sie verschwieg, dass sie den Verdacht hegte, Marcus könne der Grund dafür sein – und hoffentlich auch die Heilung.
Am nächsten Tag, einem Samstag, hatte Phillippa alle Hände voll zu tun. Zuerst musste sie schlafen, denn am Abend fand der Gold-Ball statt, und sie wollte keinesfalls dabei erwischt werden, die Hälfte des Abends nur zu gähnen. In der Tat, letztes Jahr hatte Lady Hertford nur gegähnt, was den Prinzregenten so erbost hatte, dass er sie beinahe aus seiner privaten Loge gewiesen hätte. Nur die Crème de la Crème der Gäste wurde überhaupt in die Privatloge des Prinzen gebeten. Es war ein opulent ausgestatteter Raum, in dem nur das beste Essen und die wohlklingendste Musik geboten wurden und nur die Vornehmsten der Gesellschaft anzutreffen waren. Für dieses Jahr hatte Phillippa es sich fest vorgenommen, eine Einladung zu bekommen, und mit Broughton an ihrer Seite konnte es ihr sogar gelingen.
Nachdem sie geschlafen hatte, musste sie baden und sich schminken und an sich zupfen und sich zurechtmachen, um aus sich die faszinierendste Phillippa Benning zu machen, die man sich nur vorstellen konnte. Selbstverständlich hat das nichts damit zu tun, dass auch Marcus Worth auf dem Fest sein wird, sagte sie sich. Zumindest würde er es versuchen. Phillippa war sich nicht sicher, ob die Worths überhaupt eingeladen worden waren. Und da inzwischen allen bekannt war, dass er nicht länger zu ihrem engeren Kreis gehörte, hatte sie allen Grund, daran zu zweifeln.
Nein, mit Marcus Worth hatte es nichts zu tun, dass sie so umwerfend wie möglich aussehen wollte. Sie hatte vielmehr beschlossen, Broughton heute Nacht das zu gewähren, worauf er so lange gewartet hatte.
Es dürfte ziemlich einfach sein, stellte sie sich vor. Und war sie erst in seinem Bett, würde sie
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