Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
fünfzig oder mehr Herrenhäuser, die er in den Parks als Mittel zur Finanzierung der Neugestaltung zu bauen beabsichtigte), öffnete der Prinz den Park ein Mal im Jahr für den Gold-Ball – für einen Abend mit Dinner, Tanz und Unterhaltungen, wie ihn selbst die feinsinnigsten Gastgeberinnen Londons nicht bieten konnten.
Da er ja der Gold-Ball hieß, war es keine große Überraschung, dass Gold die vorherrschende Farbe war. Neben dem zentralen Prince of Wales Circus war ein Pavillon errichtet worden, der mit Tausenden Metern golddurchwirkter indischer Seide ausgestattet war, mit goldenen und kristallenen Leuchtern, die von den gewölbten Decken hingen und deren Millionen goldüberzogene Kerzen sich wie ein feuriger See im goldfarben lackierten Tanzboden spiegelten. Der Pavillon bot private Logen, die als Separees dienten und in schwülstigem Stil dekoriert waren. Tanz und Fröhlichkeit schwappten allerorten durch den Park, über die Pfade, die mit Lampions erhellt wurden, und es war nicht ungewöhnlich, gegen Morgen im Park auf golden gekleidete Earls und Viscountesses zu treffen, die dort ein wenig verloren umherstreiften, nachdem sie zuvor die schönsten Stunden ihres Lebens genossen hatten.
Eine Einladung zum Gold-Ball im Regent’s Park lehnte niemand ab. Selbst der Duke of Wellington, dessen Zwiespältigkeit gegenüber der Verschwendungssucht des Prinzen in den internen Kreisen nur zu gut bekannt war, würde anwesend sein. Es wurde reichlich spekuliert, ob er seinem konservativen formellen Schwarz abschwören und der Mode folgend etwas Goldfarbenes tragen würde. Eigentlich wettete Phillippa nicht, aber wenn doch, dann hätte sie eher dagegengehalten. Wellington war ein Freund ihres Vaters; und obwohl der Wert auf elegante Kleidung legte, wäre ein goldfarbener Anzug selbst ihm eine Spur zu viel gewesen. Aber weder hatte sie die Zeit noch die Lust, sich über die Wahl der Abendkleidung des Duke den Kopf zu zerbrechen. Ihre Gedanken waren mit ganz anderen Dingen beschäftigt.
Wo war Marcus? Geduldig hatten Phillippa und Totty die Warterei in der langen Schlange der Kutschen auf sich genommen, hatten sich ebenso geduldig in die lange Reihe der Gäste gestellt, hatten ihre Höflichkeiten entboten und beobachteten jetzt die vielen Tänzer, die über das hektargroße Tanzparkett wirbelten. Bei Marcus’ Größe, so hatte Phillippa geglaubt, wäre es einfach, ihn zu finden, auch wenn beinahe alle Gäste die gleiche Farbe und goldene Masken trugen.
Doch selbst eine halbe Stunde nach ihrem Eintreffen hatte sie ihn immer noch nicht entdeckt.
»Verflixt noch mal!«, stieß sie aus und erschreckte Totty, die neben ihr stand und beinahe den Drink verschüttete, den ein Lakai in Goldlivree ihr gereicht hatte.
»Gibt es ein Problem, meine Liebe?«, fragte Totty, bevor sie rasch einen weiteren Schluck trank.
»Ich … ich habe, äh, Broughton noch nicht entdeckt, das ist alles«, antwortete Phillippa und warf einen Blick auf Tottys Drink.
»Nun, dann geh ihn doch suchen. Bestimmt sitzt er mit seinen Freunden beim Kartenspiel. Ich würde derweil gern einmal schauen gehen, welche köstlichen Speisen uns erwarten.«
Phillippa schloss die Hand fester um ihren Fächer, um ihre Nerven zu beruhigen. »Oh, nein, ich möchte lieber mit dir hier bleiben.« Mit einem letzten Blick auf Tottys Drink fügte sie hinzu: »Totty, Darling, würdest du mir einen Gefallen tun? Könntest du es vielleicht einrichten, dass das, was du in der Hand hältst, der letzte Drink für diesen Abend ist?«
Totty musterte Phillippa, als habe die den Verstand verloren.
»Es ist nur, weil ich … «, und an dieser Stelle beschloss Phillippa, alle Ausreden Ausreden sein zu lassen, »… ich befürchte, dass heute Abend ein Unheil geschieht. Mir ist es wichtig, dass du deine sieben Sinne beisammen hast.«
Totty trat einen Schritt näher zu Phillippa und stellte ihr Glas aufs Tablett des Lakaien, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. »Was genau geschieht heute Abend?«, fragte sie ernst.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Phillippa, »aber wenn du so gut wärst, die Augen nach Marcus Worth offen zu halten … «
»Phillippa, in der vergangenen Woche hast du ziemlich sicher dafür gesorgt, dass er nicht eingeladen wird.«
»Ich weiß. Aber ich glaube, er ist trotzdem hier.«
»Wie das?«, entgegnete Totty. »Ohne Einladung lässt man niemanden den Park betreten! Und hier stehen die Wachen des Prinzen herum … «
»Ich weiß nicht, wie er es
Weitere Kostenlose Bücher