Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
auch; aber trotzdem war Phillippa sich ganz sicher. Es war derselbe Mann, den sie in der Kleidung eines Bauern an den Hampshire-Ställen gesehen hatte. Sein Haar war sandfarben und am Hinterkopf schon kahl, was sie zuvor nicht hatte bemerken können. Aber die Haltung, der Gang und all das waren gleich.
Sie reckte sich und drehte sich auf dem Weg um, schaute über ihre Schulter und merkte sich, in welche Richtung er ging. Der Mann bahnte sich seinen Weg rasch durch die Menge und landete genau an der Stelle, wo zuvor Sterling und Wellington gestanden hatten. Bis vor wenigen Sekunden waren sie noch dort gewesen, doch jetzt waren sie nirgendwo mehr zu sehen. Der Mann schien ebenso verblüfft zu sein wie Phillippa. Er schaute nach links, schaute nach rechts, dann hinter sich, dann in den Park. Schließlich blickte er verstohlen über seine Schulter und verschwand dann, bevor Phillippa auch nur ein Mal blinzeln konnte, hinaus in die Nacht.
Um Himmels willen, was sollte sie nur tun? Phillippa blieb stehen und schaute sich verzweifelt um. Wo steckte Marcus? Wo war Totty? Sie musste es jemandem erzählen. Musste dem Mann folgen, bevor er endgültig verschwunden war.
»Phillippa?«, fragte Broughton und blieb neben ihr stehen. »Kommen Sie. Der Prinz wartet.«
»Phillip«, stammelte sie, »ich muss gehen und … reden … mit jemandem reden.«
»Nicht wenn der Prinz wartet. Das tun Sie nicht.« Er ergriff sie am Ellbogen und geleitete sie den engen, überdachten Pfad entlang, der in die königliche Loge führte.
Sie betrachtete die Hand, die sie am Ellbogen gepackt hatte, dann Broughtons Gesicht, das hart und kalt war. »Es tut mir leid, aber es ist wichtig.«
»Wichtiger als das? Wichtiger als ich? Phillippa, Sie können jetzt nicht einfach weggehen. Was bilden Sie sich eigentlich ein?«
Sie hatte keine Ahnung, was sie sich einbildete. Aber sie wusste, dass jener Mann für immer verschwinden würde, wenn sie ihm nicht folgte. Sie fing Broughtons Blick auf; Eis traf auf Eis. »Entschuldigen Sie mich beim Prinzen, wenn Sie wollen. Oder lassen Sie es bleiben.«
Sie zerrte ihren Arm frei. Broughtons Gesicht war sehr rot, als er sich zu ihr beugte und ihr harsch ein paar Worte zuwisperte. »Das ist alles, was Sie zu bieten haben, Mrs. Benning. Entschuldigungen.«
Er verbeugte sich knapp, machte auf dem Absatz kehrt und eilte fort.
Phillippa bedauerte nicht, dass sie Broughton enttäuscht hatte. Und ihr blieb nicht die Zeit für das Bedauern, den Prinzen stehen gelassen zu haben. Hastig drängte sie in den Hauptpavillon zurück und huschte durch die Menge, vorbei an einer Nora, die keine Augen für ihre Umgebung hatte, und einer tanzenden Lady Jane. Sie verrenkte sich den Hals, suchte nach Totty, suchte nach Marcus. Kaum hatte sie die Stelle erreicht, an der der Mann gestanden hatte, spähte sie in die dunklen Bereiche des Parks, die sich dahinter ausdehnten.
Die Pfade waren mit Fackeln erleuchtet. Die Bereiche in unmittelbarer Nähe waren bepflanzt und erblühten in der vollen Pracht des Spätsommers und Frühherbstes. Aber hinter dem Prince of Wales Circus erstreckte sich das Auf und Ab der Hügel, gab es noch nicht bepflanzte Gärten und Gruben, die zu Teichen werden sollten, waren sie erst mit Wasser gefüllt. An einer dieser Trennlinien zwischen dem bebauten Land und der Wildnis dahinter entdeckte Phillippa ihn.
Die Idee war unglaublich dumm. Zum Teufel noch mal, sie war völlig wahnsinnig. Phillippa ließ den Blick noch einmal über die Menge schweifen und schaute jedem Lakaien ins Gesicht, ohne Marcus entdecken zu können. Sobald der Mann das Dickicht erreichte, wäre er für immer verschwunden.
Das Herz pochte ihr wie verrückt in der Brust, als sie den ersten Schritt in den Garten wagte.
»Philly, du bist völlig durchgedreht«, wisperte sie sich zu, während sie in die Schatten hineinging.
Es war nicht so schwer wie erwartet, sich in Sichtweite des Mannes aufzuhalten und zu versuchen, nicht entdeckt zu werden. Mehrere Nachtschwärmer schwankten vollkommen glücktrunken an ihr vorbei über die Pfade und durch die Gärten, schenkten ihr aber keinerlei Beachtung. Phillippa musste einfach nur ein paar Meter Abstand einhalten und außer Sichtweite bleiben, um genau im Blick zu behalten, wohin der Mann ging, bevor sie zu Marcus und in die Sicherheit zurückeilte. Aber mit jedem Schritt, den sie dem Mann folgte, rückten Marcus und die Sicherheit des Pavillons in weitere Ferne.
Plötzlich bog er nach rechts ab.
Weitere Kostenlose Bücher