Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Weise. Unmöglich, Totty aus der Ruhe zu bringen, und wenn doch, dann geschah das nur, wenn sie sich in allergrößter Bedrängnis befand.
Daher hätte die Tatsache, dass Phillippas Abwesenheit Totty zutiefst alarmierte, ihrerseits ein Alarmsignal sein müssen.
Marcus Worth, der Sterling vor einer halben Stunde höchst bedauerlicherweise aus den Augen verloren hatte, war äußerst wachsam. Und dass er sah, wie Totty den Pavillon mit Blicken absuchte und in jeden Winkel schaute, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er bahnte sich den Weg durch die Menge.
»Was ist los?« Mit einem Tablett in den Händen hatte er seinen Posten verlassen.
Totty ließ den Blick noch einmal umherschweifen, bevor sie Marcus anschaute. »Dem Himmel sei Dank, dass Sie da sind. Ich kann Phillippa nicht finden.«
Ein Angstschauder jagte Marcus über den Rücken. Phillippa vermisst … und Sterling … Er packte Totty am Ellbogen und führte sie auf die andere Seite des Pavillons. »Sind Sie sich sicher?«
Totty bedachte ihn mit einem Blick, den sie eigentlich für geistig verwirrte Personen reserviert hatte. »Ja, natürlich bin ich sicher. Sie hat es mir gesagt … hat es mir versprochen … dass ich heute Abend bei ihr bleibe. Aber jetzt kann ich sie nicht finden.«
Marcus atmete tief durch und zwang Totty ebenfalls dazu. »Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«
»Als sie mit Broughton zum Tanzen gegangen ist, habe ich mich in den Ruheraum zurückgezogen. Ich dachte, sie würde mich gar nicht vermissen. Oh, ich befürchte das Schlimmste, Mr. Worth. Sie hat sich so merkwürdig benommen, besonders nachdem Ihr Bruder heute Nachmittag zu Besuch war … «
»Halt, warten Sie. Byrne war heute Nachmittag zu Besuch? Mrs. Tottendale, langsam bitte. Ich begreife nicht recht.«
Frustriert fegte Totty ihm das Tablett aus der Hand, was lautstarkes Klappern und zerbrochenes Glas zur Folge hatte, ganz zu schweigen von der großen Aufmerksamkeit, die sie erregte. »Ich bin nicht betrunken. Sie hat dafür gesorgt, dass ich ihr verspreche, nicht zu trinken.«
»Schon gut«, besänftigte er sie und streckte ihr versöhnlich die Hände entgegen. »Sie ist also mit Broughton tanzen gegangen. Und seither haben Sie sie nicht mehr gesehen.«
»Ja. Überall habe ich nachgeschaut. Im Kartenspielzimmer ist sie auch nicht.«
»Totty?«, ertönte Noras Stimme in der Menge. »Ist alles in Ordnung?«
»Ich kann Phillippa nicht finden«, sagte Totty und wandte sich der jungen Lady zu. »Ich habe überall nachgesehen.«
»Mach dir keine Sorgen«, Nora tätschelte Totty herablassend die Hand. »Ich weiß, wo sie steckt. Totty, meine Liebe, sollen wir dir ein neues Glas Champagner holen?«
»Wo steckt sie?«, fragte Marcus und zog Noras Aufmerksamkeit auf sich. Nora quittierte es mit einem Blick abgründiger Missbilligung.
»Sie sollten sich eine Kehrschaufel holen und dieses Durcheinander hier aufkehren«, sagte sie verächtlich und wollte ihn mit einem weiteren Blick fortschicken. Als er sich nicht rührte, war sie gezwungen, noch einmal hinzusehen, und diesmal drang ihr Blick durch die Fassade der Livree und der Halbmaske.
»Oh, Sie sind es … Sie sind dieser Mr. Worth. Konnten Sie etwa keine Einladung ergattern?«, spottete sie. »Phillippa hat mir von Ihnen erzählt. Sie sagte, Sie seien ihr wie ein Hündchen nachgelaufen, bis Ihre demütige Unterwerfung ihr mehr und mehr lästig geworden sei. Nun, heute Abend werden Sie keine Gelegenheit mehr haben, ihr zur Last zu fallen. Sie ist in der privaten Loge des Prinzen, zusammen mit dem Marquis of Broughton.«
Totty schien unsicher, ob sie das glauben sollte oder nicht. Marcus wünschte, er könnte es. Aber dass Sterling ihm entwischt und Phillippa zur selben Zeit verschwunden war, dieser Zufall war viel zu unwahrscheinlich.
»Sind Sie sich ganz sicher?«, fragte Marcus.
»Ich kann auch die Wache für Sie rufen«, sagte Nora mit zusammengezogenen Brauen.
»Sind Sie sich ganz sicher?«, wiederholte Marcus mit zusammengebissenen Zähnen und beugte sich über die zierliche Nora.
Nora antwortete mit einem Lachen. »Ich habe sie doch selbst gesehen.« Sie drehte sich um und verkündete lautstark in den Raum hinein: »Phillippa Benning sitzt mit dem Marquis of Broughton in der Loge des Prinzen.«
»Nein, dort sitzt sie nicht«, ertönte eine Stimme aus der Menge, die Lady Jane Cummings raunend Platz machte.
»Nun, natürlich mussten Sie irgendwas in diese Richtung erwähnen«,
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