Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
schenkte seiner idiotischen, aber irgendwie auch erschreckenden Andeutung keine Beachtung. »Sie sehen es ganz richtig, Sir, dass ich in diesem verstaubten Sarkophag jedes Wort sehr gut verstehen konnte. So habe ich unter anderem gehört, dass Sie eine Liste besitzen, auf der gesellschaftliche Ereignisse stehen, die möglicherweise Ziel eines Angriffs werden könnten. Darf ich raten, welche Ereignisse auf dieser Liste aufgeführt sind?«
Als er nickte, fuhr sie fort. »Das Whitford-Bankett?«
Wieder nickte er.
»Die Party zum Pferderennen bei den Hampshires?«
Ein Nicken.
»Der Gold-Ball im Regent’s Park?«
Er nickte ein letztes Mal und schaute sie dann forschend an. »Wie sind Sie darauf gekommen, dass … «
»Das sind jährlich wiederkehrende Ereignisse«, unterbrach sie, »und sie sind exklusiv. Und die Leute, die diese Gesellschaften geben … also, das war nun wirklich nicht so schwierig zu erraten.« Phillippa trat einen Schritt nach vorn, sodass der Abstand zwischen ihnen geschlossen war. »Ich kann dafür sorgen, dass Sie zu all diesen Veranstaltungen Zutritt erhalten. Ich kann sicherstellen, dass Sie auf jeder Gästeliste stehen.«
»Und wieso denken Sie, dass ich noch keine Einladungen erhalten habe?«, hakte er nach.
»Sie gehören nicht zur guten Gesellschaft«, erwiderte sie schlicht.
Seine Augenbrauen schossen hoch. »Bitte, Mrs. Benning, Sie sollten meine Gefühle keinesfalls schonen«, entgegnete er trocken.
»Oh, Sie gehören auch nicht zur schlechten Gesellschaft«, erläuterte sie achselzuckend, »nein, nein, keineswegs. Aber eben auch nicht zur besten. Sie sind der zweitgeborene Sohn … «
»Ehrlich gesagt, der dritte.«
»Das ist ja noch schlimmer. Weder haben Sie einen Titel noch eine realistische Aussicht darauf. Ihre Aussichten sind bestenfalls bescheiden. Ihr Bruder ist ein Baron niederen Adels, und die fiebrige Wohltätigkeitsarbeit Ihrer Schwägerin schmiert das Räderwerk der Gesellschaft nicht unbedingt zu Ihren Gunsten, nicht wahr? Diese Gesellschaften gehören nicht zu den Alltagsereignissen wie das Almack’s. Ich wette tausend Pfund, dass Sie nicht die geringste Ahnung haben, wie Sie Zutritt zu diesen exklusiven Veranstaltungen bekommen können.« Phillippa lächelte. »Sie brauchen mich.«
Er blickte sie grimmig an.
Sie trat noch einen Schritt näher zu ihm. Legte ihm die Hand zart auf das Revers und spürte, wie sein Brustkorb sich hob und senkte. »Sie haben einmal gesagt, dass ich Sie nur freundlich bitten muss, und schon würde mir das Gewünschte gewährt. Nun, bitte . Werden Sie darüber nachdenken?« Sie klimperte mit dem Wimpern. »Das ist alles, worum ich im Moment bitte.«
Er legte seine Hand auf ihre. Und schob sie dann heftig fort.
»Ist das Ihr einziger Trick? Man sollte meinen, dass Sie über ein umfangreicheres Repertoire verfügen.«
Phillippa zuckte zusammen, dann ging sie ein paar Schritte zurück und sah ihn hochmütig an. Schaute ihn von oben herab an. Jedenfalls so gut sie konnte.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Das wissen Sie sehr wohl«, gab er zurück. »Ihr Vorhaben ist lächerlich. Trotzdem versuchen Sie, mich mit Ihren koketten Blicken und der Hand auf meiner Brust zu überzeugen. Wenn Sie sich erinnern wollen, mit dieser Masche haben Sie es schon einmal bei mir probiert. Es hat nicht funktioniert. Vielleicht verwechseln Sie mich mit Ihrem verehrten Marquis?« Er lehnte sich lässig gegen die Regale, während sie sich straff aufgerichtet hielt und ihr Terrain behauptete. »Immerhin scheint das kleine Manöver Wunder für Sie gewirkt zu haben bei Ihrem Wettbewerb, diesen bedauernswerten Tropf einzufangen.«
Phillippa spürte, wie ihr Lächeln schwand. »Sie haben … einen Wettbewerb bemerkt?«
Er schnaubte. »Gratulation. Bei unserer letzten Begegnung haben Sie bei Broughton viel Boden gutgemacht. Ich glaube kaum, dass Lady Jane sich auch so tapfer geschlagen hat.«
Sie starrte ihn an. Es gelang ihr nicht, diese harten Worte mit dem sanften Mann übereinzubringen, der sie gesagt hatte. »Ich wage die Behauptung, dass ich bei Broughton in großen Schritten vorankomme. Keine zwei Tage ist es her, dass er mich zu einem privaten Picknick ausgeführt hat. Wir müssen einander besser kennenlernen. Es war sehr angenehm.«
»Da bin ich mir ganz sicher. Taufrisches Gras eignet sich viel besser dazu, jemanden kennenzulernen, als der Deckel eines Sarkophags.«
Beinahe hätte Phillippa gelächelt. Das Picknick mit Broughton war
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