Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
nichts anderes gewesen als eine kleine Übung darin, wie geschickt sie wohl noch im Flirten war. Oh, sie sorgte natürlich dafür, dass Broughton sie nicht verführte, das taufrische Gras tatsächlich spüren zu wollen; trotzdem war jede Silbe ihrer Unterhaltung so sehr mit doppelter und dreifacher Bedeutung gespickt gewesen, dass Phillippa die halbe Zeit über selbst nicht genau gewusst hatte, um was es eigentlich gegangen war. Aber solche Konversationen gehörten in den höchsten Kreisen zum Handwerk.
Und eines musste sie sich eingestehen: Es war unglaublich erfrischend, frei und offen mit Marcus Worth zu sprechen; es hatte beinahe den Beigeschmack von Kurzweil.
Aber das hieß noch lange nicht, dass sie sich nicht gegen seinen neckenden Spott zur Wehr setzen würde.
»Mr. Worth, ich kann Ihnen versichern, dass mein … Treffen mit Broughton auf dem Deckel des Sarkophags sehr bequem war. Kaum zu glauben, aber er hat mich sogar die Kälte fast vergessen lassen. Und Sie sollten wissen, dass ich niemals etwas vergesse.«
Bei diesen Wort stieß Marcus sich von den Regalen ab. Mit lässigen Schritten kam er auf sie zu, blieb direkt vor ihr stehen und rieb sich das Kinn. »Sie sagten, dass er Sie die Kälte fast vergessen gemacht hätte?«, fragte er mit einem Augenzwinkern.
Phillippa nickte.
»Nun, dann«, er lächelte, »dann ist Ihre Begegnung offenbar doch nicht so gut verlaufen, wie Sie glauben.«
»Mein Treffen ist sogar sehr, sehr gut verlaufen«, entgegnete sie. Misstrauisch beobachtete sie jede seiner Bewegungen.
»Das glaube ich kaum. Sehen Sie, wenn es wirklich gut verlaufen wäre, hätten Sie auf diesem Sargdeckel förmlich brennen müssen, ganz gleich, wie kalt er Ihnen zu Anfang vorgekommen ist.«
»Oh, und Sie wissen darüber wohl sehr genau Bescheid, was?« Sie blickte ihn noch schärfer an und neigte den Kopf zur Seite.
»Allerdings. Aber soll ich Ihnen sagen, was wirklich bedauerlich ist?«, fragte er leise und lehnte sich zu ihr. »Dass Sie nicht Bescheid wissen.«
Das war nun wirklich keine Kleinigkeit mehr. Es gab keinen Grund, diese Spötteleien noch weiterzutreiben. Außer … ihr Blick flog zu seinem spöttisch hochgezogenen Mundwinkel, den weißen Zähnen, die aufschimmerten. In Phillippas Magen rumorte es neugierig. Aber Marcus schaute sie aufmerksam an, wie sie genau wusste, und daher würde sie einfach zurücktreten und ruhig und passiv bleiben.
Blieb sie aber nicht. Plötzlich schloss sich die Lücke zwischen ihnen, und seine Lippen befanden sich auf ihren.
Es war neu.
Es war anders.
Weil sie diesen Kuss bis in die Zehenspitzen spürte. Dieser Kuss mit all seiner zarten Gewalt traf jeden einzelnen Nerv. Und dieser Kuss ließ sie vergessen, dass sie diesen Mann gar nicht küssen sollte.
Während Broughton das Bedürfnis verspürt hatte, sie an sich zu drücken, machte Marcus Worth keine Anstalten, sie zu bestürmen. Um die Wahrheit zu sagen, er berührte sie kaum, außer dass sein Mund auf ihrem war. Aber sie konnte alles spüren. Seine Kraft. Seine Wärme. Er ließ die Arme seitlich hängen, hatte die Hände in die Taschen gesteckt. Aber sie wusste, wenn er sie berührt hätte, würde er mit den Fingern durch ihr Haar fahren, ihr über die Wangen streichen, eine Spur über ihr Schlüsselbein zeichnen.
Ein Schauder jagte ihr über den Rücken. Unwillkürlich teilte sie die Lippen, gewährte ihm Einlass. Als seine Zunge mit ihrer tanzte, schmiegte sie sich an ihn. Ihre Hand fand den Weg in sein Haar, wühlte sich hinein, die andere strich ihm über das Kinn bis hinunter zu seiner Schulter. Phillippa wollte nur noch eines: mehr.
Aber genauso überraschend, genauso plötzlich wie der Kuss begonnen hatte, endete er auch wieder.
Langsam zog sich Marcus zurück. Anfangs folgte Phillippa, bis er sich aufrichtete und kühle Luft den Raum zwischen ihnen füllte. Sie öffnete die Augen, fühlte sich ein wenig durcheinander, und ihr Herz schlug alarmierend schnell. In seinem Gesicht spiegelte sich ihre Verwunderung, als er einen langen, langsamen Atemzug aus den Lungen ließ. Aber dann glitten die Mundwinkel nach oben, spöttisch und arrogant, und ließen sie wissen, dass er über jedes kleine Gefühl Bescheid wusste, welches ihr in den vergangenen Sekunden durch den Körper geflutet war.
Verlangen.
Wollen.
Begehren.
Phillippa überdachte die Zeit, den Ort, an dem sie sich aufhielten, und die Lage, in der sie sich befand, und tat das Einzige, was sie in ihrer Situation für
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