Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
als Ihnen für Ihre Dienste zu danken. Und was wäre dafür besser geeignet als die Gala der Bennings?«
Phillippa wusste nur wenig über Mr. Worth, über seine Denkweise, seine Gewohnheiten. Aber eins war ihr vollkommen klar: Bisher hatte er sie bei jeder Wendung der Ereignisse überrascht. Auch jetzt enttäuschte er sie nicht. Denn er stützte seinen Kopf in die Hand und fing an, gedämpfte Geräusche auszustoßen, die man nur mit Weinen in Verbindung bringen konnte.
»Ich weiß, ich weiß«, tröstete sie ihn, »Sie halten das für übertrieben. Aber ich versichere Ihnen, es ist nicht so! Außerdem ist Blue Raven ein Held! Eine Legende unserer Zeit! Es kann niemals genug Feierlichkeiten zu seinen Ehren geben.« Behutsam legte sie ihm die Hand auf die zuckenden Schultern und strich über den feinen Stoff seines Mantels. Es war eine versöhnliche, besänftigende Geste. »Ist ja gut, ist ja gut«, murmelte sie im Einklang mit ihrem fürsorglichen Streicheln.
Aber wie auch immer, ihrer Fürsorge wurde ein jähes Ende beschert, indem Marcus Worth den Kopf hob und seine unterdrückten, abgehackten Schluchzer sich zu herzhaftem Lachen auswuchsen.
»Oh, Mrs. Benning, lassen Sie es sein, ich flehe Sie an!«, brachte er zwischen zwei Lachsalven heraus.
»Ich soll es sein lassen?«, spie sie zurück und richtete sich empört auf.
»Ja. Hören Sie auf mit dieser gespielten Selbstlosigkeit. Sie sind sehr viel einnehmender, wenn Sie einfach nur Sie selbst sind.«
Phillippa erstarrte. Der Mund stand ihr offen wie einem Fisch, der nach Luft schnappte. Und dann plötzlich sank sie neben ihm aufs Sofa, ganz entspannt, ganz so als sei alle Luft aus ihrem Körper gewichen.
»Die meisten Männer genießen es, dieses Spiel zu spielen«, stellte sie wider Willen amüsiert fest. »Die meisten Männer reagieren auf eine flatterhafte Unschuld oder auf ein kokettes Benehmen oder … «
»Und die meisten Männer sind zu einfältig, um zu erkennen, dass Sie die Regeln all dieser Spielchen beherrschen.« Er schüttelte den Kopf. »Mrs. Benning, warum sagen Sie mir nicht einfach, was Sie wollen?«, sagte er. Über seine Lippen spielte ein zaghaftes Lächeln.
»Also gut.« Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Auf dem Benning-Ball möchte ich die Identität des Blue Raven enthüllen. Es wird das spektakulärste Ereignis der Saison sein, und es wird auf meinem Ball passieren. Was für ein fantastischer Triumph.«
»Und zweifellos werden Sie am nächsten Tag in allen Zeitungen genannt werden«, nickte er.
»Nicht nur am nächsten Tag! In den nächsten Jahren ! Es wird ein ganz fabelhafter Ball … eine richtige Maskerade, alle werden Masken tragen und sie sich zur selben Zeit vom Gesicht reißen … alle werden in dunkle Umhänge gehüllt sein, und der Saal wird voller schattiger Ecken und Winkel sein, Spionage, die Erregung der Jagd … «
»Oh, wie schauerromantisch Sie doch sind, Mrs. Benning … «, kommentierte er trocken, »wie auch immer, ich weigere mich zwar, Ihre Unterstellung zu bestätigen, aber falls ich wirklich Blue Raven wäre, würden Sie vor der Welt und vor all meinen Feinden meine Identität preisgeben. Meine Enttarnung würde höchstwahrscheinlich bedeuten, dass ich ermordet werde.«
Phillippa musste sich eingestehen, dass er damit nicht unbedingt falsch lag.
»Aber … der Krieg ist doch vorüber, Sir? Ihre Feinde sind verschwunden.«
»Nicht ganz.«
»Aber bestimmt … «
»Nicht ganz«, wiederholte er mit fester Stimme und erhob sich. »Tun Sie nicht so verschämt, Mrs. Benning. Ich weiß doch genau, dass Sie in diesem Sarkophag verdammt gut mithören konnten. Und Ihre verrückte … Neugierde. Beim Abschied hatte ich Ihnen geraten, die Unterhaltung zu vergessen.«
»Weshalb ich nur umso mehr an sie denken musste«, gab sie zurück.
»Wie auch immer«, mit fester Stimme kehrte er zum Thema zurück, »Sie wissen jetzt, dass m… äh … Blue Ravens Feinde immer noch aktiv sind. Warum um alles in der Welt sollte ich Ihrem Plan zustimmen?«
Bei diesen Worten stand Phillippa auf und schaute ihn auf Augenhöhe an. Ungerührt blickte sie ihm in die Augen und spielte ihren höchsten Trumpf aus. »Weil Sie etwas von mir wollen.«
Phillippa hielt den Atem an, beobachtete, wie seine Stirn sich verfinsterte. Er beugte sich zu ihr. »Und was sollten Sie mir anbieten können, Mrs. Benning? Ein Kopfnicken und ein Hallo? Einen Eintrag auf Ihrer … Gästeliste?«
»Genau das, Sir«, erwiderte sie und
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