Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
veranlasste, stehen zu bleiben.
»Worth, ich muss mit Ihnen über Ihren monatlichen Tintenverbrauch sprechen.«
Marcus hatte wirklich keine Zeit, über Federn und Tinte zu diskutieren. Stattdessen zeigte er auf Sterlings Tür und fragte: »Ist er da?«
»Ja, ist er«, erwiderte Leslie, während er Sterlings Korrespondenz auf Stapel sortierte. »Wenn Sie also zwei Tintenfässer pro Monat verschwenden wollen, dann füllen Sie bitte einen Antrag auf erhöhten Bedarf aus und holen Sie sich einfach aus dem Lager, was Sie brauchen. Mir ist es egal, ob Sie mehr brauchen oder nicht. Ich muss nur wissen, wer es entnommen hat … «
»Leslie, den Antrag habe ich bereits vor drei Tagen eingereicht. Also was ist, ist er allein?«
»Er ist allein hineingegangen«, erwiderte Leslie, der aber nicht in der Lage, die angesprochene Sache fallenzulassen, und deshalb fortfuhr: »Falls Sie den Antrag wirklich eingereicht haben – also, ich habe ihn nicht erhalten. Übrigens, Ihr Schreibtisch. Darf ich darum bitten, dass Sie versuchen, künftig einen gewissen Standard an Ordnung aufrechtzuerhalten?«
»Nein«, unterbrach Marcus abrupt.
»Nein?«, kreischte Leslie.
»Leslie, wie oft haben wir schon darüber gesprochen. Auf dem Tisch herrscht Ordnung. Meine Ordnung. Und nur so kann ich prüfen, ob irgendjemand meine Sachen durchwühlt hat oder nicht.«
»Oh!«, gab Leslie zurück und dachte sofort über Unordnung als Sicherheitsmaßnahme nach. »Aber alle anderen – mein Wort drauf!«
Leslie traf das Unglück, dass Marcus das Gespräch bereits beendet hatte. Marcus hatte das unbestimmte Gefühl, dass sein Gespräch mit Fieldstone keinerlei Aufschub duldete. Er musste feststellen, dass er durchaus fähig war, Leslie ruppig zur Seite zu schubsen und durch die Tür des Ableitungsleiters zu stürmen.
Marcus schloss die Tür hinter sich und senkte die Sichtblenden. Kaum hatte er sich umgedreht, als er auch schon das Wort ergriff. »Sir, ich muss mit dem Direktor sprechen. In einer persönlichen Angelegenheit.«
Sterling saß hinter seinem breiten Schreibtisch. Zwischen seinen Lippen klemmte eine Zigarre. Einst war er ein adretter, athletischer Mann mit gesundem Teint und vollem Haar gewesen, aber ein Jahrzehnt hinter den Mauern dieses Gebäudes sowie die Leidenschaft für die reichhaltigen Speisen aus seiner Küche und den anschließenden Brandy hatten ihn in der Mitte seines Lebens teigig und kahlköpfig zurückgelassen. Erschrocken blinzelte er Marcus an und legte die Zigarre auf das Tablett, das vor ihm stand.
Dann faltete er die Hände über dem stattlichen Bauch. »In welcher persönlichen Angelegenheiten?«
»Ja, in welcher persönlichen Angelegenheit?«, ertönte eine Stimme links hinter Marcus.
Marcus rügte sich stumm dafür, nicht überprüft zu haben, ob Sterling tatsächlich allein im Zimmer war (was war nur aus seiner Vorsicht geworden?), und drehte sich um. Sein Blick fiel auf Lord Fieldstone, der es sich im tiefen Ledersessel in der Ecke bequem gemacht hatte und gemütlich eine Zigarre paffte.
»Oh, Sir … wie gesagt, es ist … es ist persönlich«, stammelte Marcus. Beide Männer blieben sitzen und musterten Marcus ebenso eingehend wie erwartungsvoll. »Ich, äh, ich habe eine Vase entdeckt. Ich nehme an, sie ist antik, und da Sie ja ein leidenschaftlicher Sammler sind … « Er hoffte inständig, dass seine Lüge nicht zu unglaubwürdig klang. Aber Sterlings zweifelnder Blick belehrte ihn eines Besseren.
Fieldstone hingegen zog eine Braue hoch. »Haben Sie sie mitgebracht? Wenn Sie mögen, könnte ich einen Blick darauf werfen.«
»Äh, nein. Sie befindet sich noch im Laden. Haben Sie Zeit? Vielleicht können Sie mich begleiten. Ich befürchte, dass der Lieferant des Ladens versucht, mehr für das Stück herauszuschlagen, als es wert ist.«
»Worth.« Sterlings Stimme ertönte zwischen zwei ausgestoßenen Zigarrenrauchwolken. »Erwarten Sie wirklich, dass ich Ihnen abkaufe, Sie hätten meinen Sekretär wegen einer Vase aus dem Weg gestoßen?« Er wirkte aufrichtig betrübt, als er hinzufügte: »Sie jagen einer neuen Theorie nach, stimmt’s?«
Marcus’ Blick glitt zu Fieldstone in seiner Ecke, der seufzend den Kopf schüttelte. »Ich bin nur hier, weil ich mich bei Sterling danach erkundigen wollte, wie seine Abteilung den Übergang von Kriegs- zu Friedenszeiten bewältigt hat. Er hat einige interessante Dinge zu sagen.«
»Worth, Sie sind nicht der Einzige, der gegen Schatten kämpft«, erklärte
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