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Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Titel: Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Noble
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durch ein Verbrechen ums Leben gekommen war, auch wenn die Konstabler in Whitechapel seine Sichtweise nicht teilten.
    »Könnte doch sein, dass der Kerl sich selbst die Kehle durchgeschnitten hat. Oder es war ein Unfall«, sagte der spindeldürre Streifenpolizist. Drei Zähne fehlten ihm, die restlichen waren schwarz. Es war besser, wenn der Mann sich das Lächeln verkniff, denn der Blick auf seinen Mund war wie der Blick in den Schlund der Hölle.
    »Sich selbst die Kehle durchgeschnitten? Wie das? Beim Rasieren? Und anschließend? Ausgeblutet, gestorben und erst dann das Messer entsorgt?« Marcus verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Hör zu, Kumpel«, schnaubte Konstabler Höllenschlund, »es scheint eher so zu sein, dass er von einer Hure gemessert worden ist, die mehr haben wollte, als sie eigentlich verdient hat. Ich hab heute ein Dutzend Leute zu bearbeiten, die gestorben sind. Schlimmere Fälle als diesen hier. Ich hab zu viel zu tun, um mich um einen aufgeblasenen Kerl kümmern zu können, der bei mir reinstürmt und mir vorschreibt, welche tote Leiche wichtiger ist als die andere. Schon gut, ich werd mich umhören, aber du hast die Waffe nicht, und wenn ich mal raten darf, dann hat niemand irgendwas gesehen.« Damit tippte er sich an die Mütze und bahnte sich seinen Weg an Marcus vorbei zu einer Gruppe junger Prostituierter, die entweder vor dem Gesetz davonliefen oder den Mann verlocken würden, sich zu ihnen zu gesellen. Marcus wollte gar nicht wissen, wie es weiterging. Nach seiner Auffassung waren die Beweise, dass Johnny Dicks richtige Informationen geliefert hatte, viel belastbarer als erwartet – und immerhin wert, dafür zu töten.
    Marcus eilte ins Hauptquartier des Kriegsamtes. Seine festen Schritte hallten so laut von den Wänden wider, dass sie vermutlich bis zum anderen Ende des weiträumigen Gebäudes in Whitehall zu hören waren. Er steuerte so entschlossen auf sein Ziel zu, dass er fast zwei Uniformierte umrannte, die seinen Weg kreuzten, beide zu jung und zu gut erzogen, um anders zu reagieren, als Marcus auszuweichen. Nachdem er sich den Weg durch das Labyrinth der Büros und Flure der verschiedenen Abteilungen des Amtes für Kriegsangelegenheiten – Strategie, Planung, Verteidigung – gebahnt hatte, trat er durch die Tür mit dem Schild Sicherheit . Das klang unverfänglich, aber die Sicherheitsabteilung unterstand unmittelbar dem Direktor des Kriegsamtes. Vordergründig wurde sie genutzt, um die Örtlichkeiten für die Treffen der anderen Abteilungsleiter abzusichern wie auch die offizieller Staatsbesuche, von Vertragsunterzeichnungen und so weiter – worüber der größte Teil der Bevölkerung allerdings kaum Bescheid wusste, die höheren Ebenen des Parlaments eingeschlossen.
    Wann immer jemand aus der Sicherheitsabteilung mit Direktor Lord Fieldstone sprechen wollte, konnte er das ohne offizielle Anmeldung tun. Man brauchte nur die Freigabe vom Abteilungsleiter, den Marcus hoffte übergehen zu können, und falls er es nicht konnte, würde er sich den Zutritt erlügen müssen. Es gab keine Zeit mehr für Ausflüchte. Keine Zeit mehr, eine Zufallsbegegnung auf einem Ball zu arrangieren.
    Das Büro hinter der Tür mit der Aufschrift Sicherheit wirkte eher unscheinbar: Es war ein großes Zimmer mit in geraden Reihen stehenden Schreibtischen, alle ordentlich aufgeräumt, dahinter die Tür zum Büro des Abteilungsleiters. Nur wer einen scharfen Blick besaß, bemerkte, dass jeder Schreibtisch mit schweren Schlössern und die Haupttür mit einem Eisenkern versehen war.
    Nach dem Ende des Krieges waren mehr und mehr Tische verwaist. Männer, die so emsig für ihre Sache gearbeitet hatten, stellten fest, dass es nicht mehr genug Anlass gab, noch weiterzumachen. Auf den Tischen, an denen noch gearbeitet wurde, lagen ordentlich gestapelt Papiere, in den Wandregalen fanden sich akkurat geordnete Broschüren. Als Marcus vorbeieilte, schauten ein paar Männer auf, um sich gleich darauf wieder ihrer Kräfte zehrenden Untätigkeit zu widmen. Unbewusst rieb er sich den Oberschenkel, als er an seinem eigenen, zu schmalen Schreibtisch vorbeikam – der einzige im Raum, der ein wenig unaufgeräumt wirkte – , und steuerte direkt auf die Tür des Abteilungsleiters zu.
    »Stehen bleiben, Worth!«, kreischte Leslie Farmapple, Sekretär des Abteilungsleiters und ein kleiner Despot, der die gesamte Sicherheitsabteilung mit skrupelloser Befehlsgewalt und Effizienz führte. Er war es auch, der Marcus

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