Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
fuhr Marcus fort, denn er hatte nicht die Absicht, sich vom Thema abbringen zu lassen, »nur dass wir überhaupt nicht viel zu tun haben. Ich möchte, dass Sie sich in dieser Sache so weit von mir fernhalten, wie es Ihnen nur möglich ist.«
Einen Moment lang sah Phillippa … verletzt aus, wenn er es so nennen durfte. Aber sie schüttelte die Empfindung ab wie eine Ente das Wasser aus dem Federkleid.
»Seien Sie nicht dumm«, winkte sie ab, »Sie müssen mindestens ein Mal mit mir tanzen. Und hoffentlich mindestens ein Mal mit den anderen jungen Ladys.«
»Mrs. Benning, ich habe keine Zeit zum Tanzen. Ich muss … «
»Was müssen Sie? Genau da liegt das Problem. Sie wissen es nicht so genau. Und wie wollen Sie auf die Jagd gehen, wenn Sie die Beute nicht kennen? Sie müssen einfach nur wachsam sein und bewaffnet … «
Bei diesen Worten zog er die Brauen hoch.
»Sie haben doch eine Pistole oder irgendwie so etwas eingesteckt, stimmt’s?«, fragte sie, als sie seinen Blick auffing.
»Gehen Gentlemen normalerweise bewaffnet zu einem Bankett?«
»Nein, aber … Sie sind kein Gentleman!«, protestierte sie.
»Ich versichere Ihnen, dass ich es entgegen Ihrer Vermutung doch bin«, antwortete Marcus grinsend.
»Sie wissen ganz genau, dass ich es anders gemeint habe.« Phillippa stützte die Hände in die Hüften und sah wie ein trotziges kleines Kind aus. Dann seufzte sie und straffte die Schultern. »Nun, dann dürfen Sie sich glücklich schätzen, dass zumindest ich ein wenig vorausblickend bin«, sagte sie und nestelte einen Lady-Revolver, der nur einen einzigen Schuss abfeuern konnte, aus den Falten ihres Rockes.
»Sind Sie wahnsinnig?«, rief Marcus und riss ihr die Pistole aus der Hand. Er prüfte die Trommel; sie war geladen. Schließlich atmete er tief durch und widerstand dem Impuls, die Fingerspitzen an seine Schläfen zu pressen. »Mrs. Benning, was haben Sie hiermit vor?«
»Ich … ich habe keine Ahnung. Ich dachte, die Waffe könnte nützlich sein … für Sie … nur für den Fall, dass Sie auf Ärger stoßen«, stammelte sie, »Sie könnten die Verfolgung aufnehmen und den Bösewicht schnappen. Das wird eine Aufregung geben und ganz bestimmt auch heldenhaft sein. Spione arbeiten doch so, oder?«
Marcus schluckte ein Lachen herunter. »Nach meiner Erfahrung hat Spionieren hauptsächlich etwas mit Beobachten zu tun. Nichts mit Heldentum und Aufregung. Es ist ganz sicher keine gute Idee, wenn ich in einem Ballsaal voller Zivilisten eine Pistole aus meinem Rock ziehe. Und abgesehen davon, dass ich mich dadurch todsicher selbst verrate, könnten Unschuldige verletzt werden.«
Phillippa seufzte. Zum Glück begriff sie, dass er recht hatte, und streckte die Hand aus, um ihre Pistole wieder an sich zu nehmen. »Gut. Ich werde sie nicht benutzen.«
Aber Marcus schüttelte nur den Kopf und steckte die Waffe unter seinen Frack in den Taillenbund seiner Kniehosen.
»Sie verderben die Silhouette Ihres Fracks«, tadelte sie, was ihm wider Willen ein Lächeln auf die Lippen zauberte.
»Das Risiko muss ich wohl eingehen«, erwiderte er. Das kalte Metall war sogar durch das Hemd noch zu spüren. »Nur zu Ihrer Information, selbstverständlich habe ich daran gedacht, mich heute Abend zu bewaffnen. In meinem Rock steckt ein Dolch. Aber ich hoffe, dass ich ihn nicht benutzen muss. Denn Sie haben recht, ich weiß gar nicht, was heute Abend geschehen soll, und ich bin nicht bereit, irgendein Risiko auf mich zu nehmen. Das ist mein Vorhaben, Mrs. Benning.«
»Die Pistole wollen Sie also nicht benutzen?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Ich mag Feuerwaffen nicht besonders.«
»Aber warum nicht?«, hakte sie nach.
»Mrs. Benning, haben Sie jemals jemanden erschossen?«
»Nein … aber … «
»Ich schon. Es ist nichts, worauf ich besonders stolz bin. Ich möchte Ihnen diese Erfahrung ersparen.«
Mehr gab es zu diesem Thema nicht zu sagen. Marcus beobachtete Phillippa, als sie sich enttäuscht das Haar aus den Augen blies, in der Sache geschlagen und dies auch anerkennend.
»Nun, Ihr Vorhaben besteht darin, das Gespenst zu verfolgen, das Ihren Freund getötet hat. Wer auch immer es war und wen auch immer Sie als Bedrohung empfinden … «, sie schob das Kinn vor, schritt in Gedanken zu dem nächsten Punkt, der erledigt werden musste, und hatte ihre Selbstbeherrschung wiedergefunden, »mein Plan lautet, dafür zu sorgen, dass Sie zu dem nächsten Ereignis auf der Liste eingeladen werden. Damit Sie
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