Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
weitermachen können.«
Endlich hatte sie ihn wieder auf die Sache gelenkt. Und dieses triumphierend selbstgefällige Lächeln bewies es ihr auch.
»Weshalb wir jetzt diese Wäschekammer verlassen, so gemütlich es hier auch sein mag. Sie werden mich auf die Tanzfläche begleiten. Falls uns noch genügend Zeit bleibt, finde ich eine andere junge Lady, die mit Ihnen tanzt, während ich mit Lady Whitford rede und Sie ihr ans Herz lege. Bestimmt besteht sie darauf, dass ihr mein Kopf auf dem Silbertablett serviert wird, weil ich dafür gesorgt habe, dass sie Sie noch auf die Gästeliste setzt. Ich habe keine Ahnung, wie es ihr gelungen ist, die Sitzordnung so zu verändern, dass Sie noch reinpassen. Aber ich bin großmütig genug, um eingestehen zu können, dass jemand Talente hat, die meine übersteigen.«
Phillippa hielt kurz inne. »Dann«, zählte sie an den Fingern ab, »gehen wir zu Tisch und fangen mit dem Festgelage an. Sie unterhalten sich mit den Leuten rechts und links von Ihnen. Ich hoffe darauf, dass es mir gelingt, Lord oder Lady Hampshire oder deren Tochter Sybil zu erwischen … Sybil ist ein liebenswürdiges, kleines Ding. Und zudem mit Lord Plessy verheiratet, das sollten Sie wissen. Ich sorge für eine Einladung zum Wettrennen bei den Hampshires. Die Gesellschaft erstreckt sich über das ganze Wochenende, und das heißt, dass die Gästeliste viel kleiner ist. Falls sie Sie nicht aufnehmen können, muss ich natürlich dafür sorgen, dass jemand anders absagt, um so Platz für Sie zu schaffen. Aber darum kümmern wir uns, wenn es so weit ist. Und nennen Sie mich um Himmels willen Phillippa. Erstens ist es für mich angenehmer, und zweitens sieht es so aus, als würden Sie zum Kreis meiner engsten Vertrauten gehören.«
Eine ganze Weile schaute er sie einfach nur durchdringend an. Und dann überwältigte ihn der Impuls doch. »Aye, aye, Sir«, stieß er aus und salutierte zackig. Er lächelte sarkastisch und verschränkte die Arme. »Und wann erledige ich das, was ich zu erledigen habe?«
»Wann immer Sie wollen«, erwiderte sie und winkte ab. »Sollen wir jetzt?«
»Halt, noch einen Moment«, hielt er sie auf, bevor sie die Tür öffnete. Er drehte sie zu sich und untersuchte eingehend ihre Frisur.
»Ist … irgendetwas mit meinem Haar?«, erkundigte sie sich besorgt und hob die Hände, die er aber sanft herunterdrückte. Und dann strich er mit der Fingerspitze über die Locken an ihrer Schläfe, so zart, dass es beinahe wehtat, zog eine Locke herunter und wickelte sie so um den Finger, dass sie gleich darauf wieder in die frühere Form zurücksprang.
»Gut«, seufzte er, »das muss reichen.«
Er genoss es, sie ein paar Sekunden lang verwirrt zu sehen. Und wusste, dass er es nicht hätte tun dürfen. Wusste auch, dass er angesichts der Umstände unbedingt versuchen sollte, sich von ihr fernzuhalten. Aber es war auch eine aufregende Sache, Phillippa Benning necken zu können. Sie zu verunsichern. Nur eine kleine Rache dafür, wie sie mich verunsichert, dachte er.
Marcus pfiff eine unverfängliche Melodie, als er hinter sie griff und die Tür öffnete. Sanft schob er sie zur Seite und steckte den Kopf durch die Tür. Als die Luft rein war, trat er hinaus in den Flur.
»Dummer Kerl!«, ertönte es hinter ihm, als Phillippa kurz nach ihm die Kammer verließ, »meine Frisur sitzt perfekt! Wie … «
Aber die Stichelei erstarb ihr auf den Lippen. Denn vor Marcus bog gerade jemand um die Ecke, rückte ins Blickfeld … Mrs. Tottendale … Phillippa nennt sie Totty, mahnte er sich … mit einem Glas Champagner in der Hand und einem schockierten Ausdruck im Gesicht.
Alle drei blieben auf der Stelle stehen. Und es war nur noch zu hören, dass Phillippa der zuschlagenden Tür der Wäschekammer aus dem Weg sprang.
Als Erste hatte Totty sich wieder erholt. Kopfschüttelnd betrachtete sie ihr halb volles Champagnerglas.
»Ich muss wohl doch mehr getrunken haben, als ich dachte.«
14
Wenn man es objektiv betrachtete, konnte Marcus in diesem kritischen Moment tatsächlich nichts anderes tun, als wachsam bleiben und die Augen offen halten. Das Anwesen hatte er schon ausgespäht, so gut er konnte. Unter den Gästen war ihm niemand aufgefallen, der irgendetwas anderes war, als er zu sein schien (wenngleich sein Feind sich meisterhaft zu verkleiden verstand und schon allein deshalb mehr als einmal durch britische Finger geschlüpft war). Jeder Versuch, in den Bereich der Dienerschaft einzudringen, war mit
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