Ein Staatsgeheimnis Am Rhein
am Einsatzleittisch im Präsidium hatte seine liebe Not, von der völlig konfusen Anruferin die Adresse zu erfahren, wo das Messer abgeholt werden sollte.
»Von wo sprechen Sie?«
»Von zu Hause«, kam die hilfreiche Antwort.
»Und wo ist das genau?«
»In Rüngsdorf.«
»Ja – und wo da?«
»In der Nähe des Friedhofs.«
»Sagen Sie mir doch bitte, wohin die Polizei kommen soll.«
»Ganz schnell in unsere Wohnung… Ich kann doch das Messer nicht rausziehen… Vielleicht ist er auch schon tot…«
Der Beamte gab seinem Kollegen am benachbarten Funkleittisch ein Zeichen und schaltete kurz um. »Ruf den nächsten Streifenwagen Richtung Rüngsdorfer Friedhof ab. Kripo und Notarzt auch. Messerstecherei. Vielleicht ein Toter. Näheres folgt!«
Der Kollege nickte und stellte über die Tastatur Fragen an den Computer. Der Bildschirm brachte CEBI in Sekunden die Information, daß Uni 12/14 vom Schutzbereich Bad Godesberg im Pennenfeld Streife fuhr, und die Männer des 1. K. auf dem Wege zur Beueler Verkehrsschule waren. An beide Fahrzeuge erging der Ruf: »Uni 12/14 und Uni 81/12 für Uni kommen.«
Die Fahrzeuge meldeten sich.
»Fahren Sie sofort Richtung Rüngsdorfer Friedhof. Messerstecherei. Möglicherweise ein Toter. Nähere Information folgt.«
»Verstanden«, meldete sich Uni 12/14 und ging auf Kurs.
»Verstanden«, meldete sich auch Lupus Müller. »Gebt sofort Nachricht an Hauptkommissar Freiberg: Einsatz Beuel abgebrochen. Wir fahren zum Friedhof.« Lupus hängte das Mikrofon ein und sagte zu seinem Kollegen am Steuer: »Dieser elektronische Blödmann stört nur bei der Arbeit.«
Der Beamte am ersten Funktisch im Präsidium bemühte sich immer noch, von der aufgeregten Frau die genaue Adresse zu erfahren. Er ging auf Fangschaltung, doch die Prozedur der Anrufermittlung würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Tonbandaufzeichnung lief.
Die Frauenstimme überschlug sich: »Wenn der gleich tot ist, sind Sie schuld. Die Polizei muß doch das Messer rausziehen – ich kann das nicht!«
»Liebe Frau«, drängte der Beamte, der seine Portion Psychologie gelernt hatte, mit ruhiger Stimme. »Die Polizei ist ja schon unterwegs und der Arzt auch. Nun sagen Sie mir bitte Straße und Hausnummer.«
»Wir wohnen doch in der Konstantinstraße, ein paar hundert Meter vor dem Friedhof.« Sie nannte sogar die Hausnummer.
Sofort ging die Angabe des Einsatzortes an die Polizeifahrzeuge. Blaulicht rotierte, und die Martinshörner jaulten auf.
Lupus und Ahrens trafen gleichzeitig mit dem Notarzt ein, der sich sofort um das Opfer kümmerte. Die Kollegen von Uni 12/14 sicherten den Tatort. In der Küche saß eine aufgeregte Mittdreißigerin am Tisch und hielt eine fast leere Flasche umklammert. Die Dame war sternhagelvoll!
»Rausziehen konnte ich es wirklich nicht«, jammerte sie unentwegt.
Ein Uniformierter saß neben ihr und tätschelte beruhigend ihre zitternde Hand. »Ist ja schon gut. Der Arzt macht das schon.«
»Sterben darf er nicht«, wimmerte sie. »Er ist doch mein Mann, und wir lieben uns. Oh, dieser Kerl.« Diese Art Logik blieb besser ohne Kommentar.
Lupus warf nur einen kurzen Blick in das Wohnzimmer. Ahrens hörte, daß sein Kollege erleichtert aufatmete. Der Mann auf der Couch mit dem Messer zwischen den Rippen lebte noch! Lupus ging in die Küche.
Ahrens blieb zurück und beobachtete mit gespannter Aufmerksamkeit, wie der Notarzt vorsichtig das Messer aus der Wunde zog.
Noch während er den Druckverband anlegte, versuchte das Opfer, sich aufzurichten.
Ein Helfer drückte den Verletzten äußerst behutsam in die Kissen. »Langsam, nicht bewegen. Sie sind verletzt. Wir bringen Sie ins Krankenhaus.«
Der Notarzt war noch jung, hatte aber schon manchen Hieb und Stich erlebt und gab sich nicht besonders zimperlich. »Der Junge hat Schwein gehabt, daß seine Küchenfee ihn nicht voll erwischt hat. Da sieht man wieder, daß die abgeschrägten Brotmesser als Stichwaffe nicht so wirksam sind.«
Der junge Ahrens, glatt rasiert, kurzer Popperhaarschnitt, wache blaue Augen, vor einigen Wochen zum Kriminalobermeister im ersten Kommissariat befördert, sah sich die ärztliche Prozedur in aller Unbefangenheit an. »So ‘n Messer mit Wellenschliff macht ganz schöne Wunden«, stellte er fest.
Der Arzt winkte ab. »Es gibt schlimmere Stichverletzungen.«
»Kommt er durch?«
Der Arzt machte eine noch lässigere Handbewegung. »Na klar doch, der ist schon durch. In ein paar Tagen geht er wieder fröhlich
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