Ein Staatsgeheimnis Am Rhein
Rheinseite, B 56, Siegburger Straße, kurz vor der Autobahnauffahrt. Ich habe schon mal den Kollegen Peters raus geschickt. Der soll sich dort unauffällig umsehen.«
»Der und unauffällig?« zweifelte Lupus.
Kriminalrat Sörensen vom 19. K. – Staatsschutz – stieß zur Besprechungsrunde. Er trug seinen mittelgrauen Anzug mit weißem Hemd und weinroter Krawatte wie eine Uniform. Statur und Gesicht ließen sofort an Jean Gabin denken. So wurde er dann auch manchmal genannt. Der »Chefstaatsschützer« bemerkte den »Leitenden« und murmelte leise: »Die Situation ist da.« Dieses Trostwort von Adenauer hatte er voll in sein Vokabular übernommen.
»Was gibt’s?« fragte Dr. Wenders.
»Probleme satt. Die Kölner sind überzeugt, daß Comport nicht nur COMECON-Ware transportiert, sondern auch als Residenturkopf wenigstens vierzig Handelsunternehmen betreut.«
»Also die Spinne im Netz?« wollte Dr. Wenders bestätigt haben.
»So ist es«, nickte Sörensen, »Comport steuert den Laden über den Außendienst mit seinen ›Handelsvertretern‹. Der eigene Schwerpunkt liegt in der Ausspähung des bundesdeutschen Verkehrsnetzes sowie der Trinkwasser- und Energieversorgung. Die streben in der Stunde X entweder kampflose Übernahme oder Ausschaltung durch Sabotage an.«
Hauptkommissar Freiberg pfiff durch die Zähne: »Puh – und von diesen Brüdern haben wir einen toten Kuckuck im Nest! Schöne Bescherung.«
»Das stimmt außerordentlich miß«, ergänzte Lupus.
Ahrens machte große Augen. Ihm dämmerte, daß in der Bundeshauptstadt einiges mehr lief, als man bei Wein, Weib und Gesang vermuten durfte.
»Gibt es Erkenntnisse beim 2. oder 3. K. oder in der dritten Gruppe?« fragte der Vorsitzende.
Verneinendes Kopfschütteln.
»Ihr von der Wirtschaft setzt euch bitte mal mit dem Finanzamt in Verbindung.«
»Steuergeheimnis«, warf der Chef vom 3. K. ein. »Die Finanzer sind da ziemlich pingelig.«
»Schon, schon, aber mal ein bißchen miteinander reden. Comport wird alles mögliche tun, sich aber bestimmt nicht über deutsche Behörden beschweren. Die Ostmenschen haben noch nie daran geglaubt, daß Steuergeheimnisse ernst genommen werden.«
Dr. Wenders, der Leitende, stand auf. »Na, dann wissen Sie ja, wo’s langgeht. Ich informiere schon mal unseren Präsidenten, Innenminister, Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt. Halten Sie mich auf dem laufenden. Und sonst – Stillschweigen! Die Presse muß vorläufig draußen bleiben.«
»Geht klar!« stellte der Gruppenleiter fest. Die Anwesenden nickten. Dr. Wenders murmelte ein »Tschüß« und ging.
»Nun, Freiberg, Wünsche an die Direktion?« fragte der Gruppenleiter. »Vollmachten sind erteilt.«
Freiberg strich mit den drei mittleren Fingern der linken Hand langsam über die Stirn. Ihm selbst nicht bewußt, war diese Geste für seine Mitarbeiter ein Zeichen sehr wacher Konzentration. »Nein, keine Wünsche. Jetzt bitte keinen großen Bahnhof, später vielleicht. Wir vom 1. K. gehen erst mal ganz normal auf die Firma Comport zu, als hätten wir von Residenturen und Agenten nie etwas gehört. Wir stellen uns ganz dumm.«
»Richtig«, bestätigte Sörensen.
»Ja, wir geben uns ganz natürlich«, ergänzte Lupus.
»Nur net hudle«, scherzte sogar Ahrens etwas zaghaft.
»Soll das ausländisch sein?« fragte Lupus.
»Bayerisch, nehme ich an«, antwortete Ahrens verunsichert.
»Das klingt ganz seltsam hier am Rhein. Lern lieber Bönnsch. Deine Octopussy stammt doch aus dem Vorgebirge.«
»Genug mit den Sprüchen«, fuhr der Gruppenleiter dazwischen. »Noch Fragen?«
»Nicht! Dann los. Die Sitzung ist beendet.«
»Gleich zu mir«, bat Freiberg seine Mitarbeiter und steuerte sein Dienstzimmer an. Es lag im dritten Stock. Durch die Fenster bot sich nach Osten hin ein weiter Blick auf den Rhein und das Siebengebirge. Der Drachenfels stand scharf konturiert gegen den Himmel. Die Steinbruchwände leuchteten gelb und fahl aus dem Grün des Ennert.
Fräulein Kuhnert, die unschätzbare Bürokraft mit Herz und rheinischer Fröhlichkeit, die »Kommissarin ehrenhalber«, wie Freiberg sie wegen ihrer freiwilligen Mitarbeit bei der Aufklärung eines Mordfalls im Siebengebirge getauft hatte, wußte, was die Mannschaft zusammenhielt.
Vier Tassen standen bereit, und der Kaffee dampfte aus der Kanne. Auch eine Schachtel Kekse hatte sie auf den Besuchertisch gestellt. Nur Zigaretten waren verpönt. Freiberg hielt strikt darauf, daß ihm seine Bude nicht
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