Ein Staatsgeheimnis Am Rhein
mit beschränkter Haftung« nach geltendem Recht funktionierte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Vor allem durften die Steuerprüfer des Finanzamts keinen Anlaß finden, irgendwo einzuhaken. Seit der Aufdeckung des Parteispendenskandals in Bonn genossen sie besonderen Respekt.
»Gibt es neue Erkenntnisse bei ›Video‹?« fragte der »Ingenieur«.
Ein alerter schlanker Mann, etwa fünfunddreißig Jahre alt, stechend graue Augen, eine Mischung vom Typ Alain Delon und Tom Selleck, zögerte mit der Antwort. Trotz der hier zugesicherten Vertraulichkeit durfte er seine Karten nicht offen auf den Tisch legen – dafür waren seine Aufgaben zu delikat. »Video« war schließlich nicht nur die Schleusenzentrale für den Nachrichtenaustausch, mit einem richtigen Geschäftslokal und eingeschriebenem Kundenkreis, sondern war auch er selbst, der dem »Ingenieur« die Integrität und Vaterlandstreue der Außendienstmitarbeiter zu garantieren hatte. Er hatte dafür zu sorgen, daß Aussteiger aus der »Szene« nicht sehr viel älter wurden. Für Männer wie »Video« bedeutete das Wort »liquidieren« nicht ärztliche Abrechnung oder Auflösung eines Handelsunternehmens, sondern genau das, was die Väter der Weltrevolution daraus gemacht hatten: »Ex und hopp!«. Dafür gab es in der Videothek ein paar Spezialisten!
»Video« sagte schließlich prononciert: »Die Schleusenzentrale arbeitet technisch einwandfrei. Nur gut, daß wir rechtzeitig eingestiegen sind. Mit achttausend Kassetten in Köln ist der Laden wirklich gesund. Pornos und Horror laufen wie geschmiert, und es geht dabei zu wie im Taubenschlag. Besser läßt sich eine technische Deckadresse wohl kaum organisieren. Das gilt auch für die Parallelunternehmen in Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt und München.«
Der »Ingenieur« hatte sofort gemerkt, daß »Video« ihm persönlich noch einiges sagen wollte, jetzt aber in diesem Kreis nicht reden konnte.
Ein leiser Piepton im Taschenempfänger ließ Baumann das Thema wechseln. Die Tischgemeinschaft von ZII war auf der Hut.
Der Kellner trat ein, um Kaffee und Gebäck zu servieren. »Darf ich noch andere Wünsche entgegennehmen?« fragte er.
Der Vorsitzende mied jeden Eindruck, autoritär zu wirken oder die »Gesellschafterversammlung« als etwas anderes erscheinen zu lassen, als das, was sie sein sollte. Seriöse Geschäftsleute kennen keine Hast, und so konnte jeder in Ruhe wählen und bestellen.
»Ich nehme einen Tee mit Rum«, erklärte der »Ingenieur«.
»Und mir bringen Sie bitte einen Calvados zum Kaffee und eine gute Zigarre, eine Havanna, wenn möglich«, sagte »Video«. Man mußte doch etwas für die guten Freunde auf Kuba tun.
Baumann nahm einen Armagnac. Die anderen winkten ab.
»Ich unterbreche die Sitzung für eine Viertelstunde«, stellte der Vorsitzende fest. »Die Kaffeepause gehört schließlich zur Tagesordnung.«
Die Herren standen auf, auch die einzige Dame am Tisch. Die »Chefin-Personal« nahm ihre Kaffeetasse mit an eines der Fenster. Ilona trug ein schlichtes grünes Kostüm mit brauner Lederpaspelierung. Ihre halblangen, dunkelbraunen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gerafft. Das gab dem zart-herben Gesicht eine mädchenhafte Strenge. Ihr Teint war so makellos wie ihr sanft gerundeter Körper. Dank dieser Vorzüge und anderer Talente, die nicht nur als Verhandlungsgeschick definiert werden durften, hatte sie für Comport schon manche Geschäftsbeziehung anbahnen können. Einige Fotos aus der konspirativen Wohnung in Siegburg am Fuße des Michaelsberges zeigten nicht nur ihre körperlichen Vorzüge, sondern auch die Schwächen oder Stärken deutscher Repräsentanten der Wirtschaft, die sich im Rüstungs- und Waffengeschäft auskannten. Die Bilder waren als vorzügliche Druckmittel für späteres Wohlverhalten, sorgfältig archiviert. Sie wurden vom »Ingenieur« persönlich gehütet. Ilona war schließlich seine angetraute Ehefrau. Im Kreis der Gesellschafter von Comport ging man davon aus, daß es sich um eine operative Ehe handelte, die natürlich gelegentlich vollzogen wurde.
Die »Chefin-Personal« herrschte als ungekrönte Königin im Drohnenstaat der Firma. Nach einem kurzen Blick aus dem Fenster zupfte sie den »Ingenieur« am Ärmel zu sich heran. »Ing, was ist mit ›Video‹ los?« fragte sie leise. »Der hat doch Probleme. Soll ich mal mit ihm reden?« Sie registrierte jede Störung wie ein hochempfindlicher Seismograph, oft sogar früher als ihr »Ingenieur«.
»Irgend
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