Ein Stern fiel vom Himmel
hatten, in der trostlosen Eiswüste Kolonialbesitz zu erwerben.
Dann begann man sich an alte, fast vergessene Dinge zu erinnern. Es bestanden doch allerlei Ansprüche auf den antarktischen Kontinent, die auf früheren Abmachungen basierten. Da gab es ja einen australischen Sektor und einen englischen. Da gab es Gebiete, die formell und offiziell zu Frankreich und zu den Vereinigten Staaten gehörten. Mit wissenschaftlichen Dingen hatte das freilich wenig zu tun. Ausnahmslos handelte es sich dabei um Fischereiinteressen, und nur die äußersten Küstenstreifen jenes unter Eis und Schnee vergrabenen Kontinents hatten für die betreffenden Staaten einen gewissen Wert. Keiner von ihnen hatte jemals daran gedacht, seine Ansprüche weiter auf das Innere des Landes auszudehnen.
So hatte es denn mit dem Passus der Note, daß es sich hier um ein Niemandsland handele, seine Richtigkeit. Es blieb den Regierungen nichts weiter übrig, als die Besitzergreifung des bezeichneten Gebietes zur Kenntnis zu nehmen. Einige Verklausulierungen, eine Nachprüfung eventueller älterer Rechte betreffend, konnten entkräftet werden.
Nachdem die USA als erste Großmacht die neue Kolonie anerkannt hatten, trafen der Reihe nach auch die offiziellen Anerkennungen der anderen Regierungen in Berlin ein.
Die völkerrechtliche Lage war ja auch derartig gewesen, daß ein Versagen der Anerkennung auf die Dauer nicht möglich war. Um so mehr hatte man sich in London und Paris den Kopf über den wirklichen Zweck zerbrochen. Kein Gerücht war so abenteuerlich gewesen, daß es nicht Glauben gefunden hätte. Servierten die Pariser Boulevard-Blätter ihren Lesern heute eine fette Ente über die Möglichkeiten in der Antarktis, so wurden sie am folgenden Tag von Londoner Zeitungen überboten, die etwas noch Unglaublicheres auftischten.
In den Berliner Ministerien legte man alle diese Erzeugnisse einer zügellosen Phantasie gelassen zu den Akten. Unangenehmer wurde ein Aufsatz in der französischen Fachzeitschrift La nature empfunden, der unter dem Titel ›Ungehobene Schätze in der Antarktis‹ erschien.
Ein Mineraloge von anerkanntem Ruf entwickelte darin den Gedanken, daß der antarktische Kontinent mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gewaltige Bodenschätze enthalten müsse. Nicht nur wertvolle Metalle, sondern auch riesige Kohlen- und Erdöllager. Möglicherweise hätten die Leiter des antarktischen Institutes ergiebige Fundstellen entdeckt und sich daraufhin sofort dort festgesetzt.
Mit einem leichten Stirnrunzeln gab Professor Eggerth diesen Aufsatz an Minister Schröter zurück.
»Der Mann hat die Glocken läuten hören, Herr Minister. Gott sei Dank weiß er nicht, wo sie hängen. Trotzdem – solche Veröffentlichungen könnten unangenehm werden, solange die Anerkennungen der Großmächte noch nicht vorliegen, oder wenn solche Gerüchte börsenmäßig ausgenutzt werden.«
Der Minister legte die Zeitschrift in eine Mappe. Während er sie zuschlug, erwiderte er:
»Sie haben recht, Herr Professor, man muß sofort etwas dagegen tun. Ich habe einen Aufsatz veranlaßt, der die Dinge in einem andern Licht zeigt. Ein Eispanzer, stellenweise mehrere tausend Meter stark, der den weitaus größten Teil des sechsten Kontinents bedeckt. Wie sollte es da möglich sein, Erzfunde zu machen oder gar an ihren Abbau zu denken? In überzeugender Weise und gestützt auf eine Fülle wissenschaftlichen Materials werden darin die Vermutungen, die der französische Autor in La nature aufstellt, ad absurdum geführt. Sobald die Veröffentlichung erschienen ist, werde ich Ihnen ein Exemplar zugehen lassen.«
Jene von Minister Schröter veranlaßte Arbeit war in der Tat ein Meisterstück. Die Veröffentlichung erschien in den ›Geographischen Mitteilungen‹, und Auszüge daraus gingen gleichzeitig in die ausländischen Zeitungen über.
Von der anderen Seite her wirkte sich die Veröffentlichung in La nature in ähnlicher Weise aus. Mit einem Schlage stand die Antarktis im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Jede Zeitung, die wußte, was sie ihren Lesern schuldig war, sah sich veranlaßt, etwas über den sechsten Kontinent zu bringen. Je nachdem die Blätter sich dabei mehr an die eine oder an die andere Auffassung hielten, fand sich Richtiges und Unrichtiges in ihren Artikeln vermischt.
Auch die reichlich trockenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Herren Wille und Schmidt fanden einen Leserkreis, der ihnen unter anderen
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