Ein Stern fiel vom Himmel
die größte Dummheit, die wir machen könnten, wenn wir andern Leuten – noch dazu Franzosen – unser Abenteuer auf die Nase binden wollten.«
Erst mit Hemd und Hose bekleidet, ging Bolton an den Tisch, mischte sich ein Glas Cognac und Soda halb und halb und goß es in einem Zuge hinunter.
»Ah, das tut gut! Hm, hm … Sie meinen also, Garrison, daß wir besser tun, uns über unsere Angelegenheiten auszuschweigen.« Der so lange entbehrte Alkohol brachte sein Blut und seine Gedanken in Schwung. Lebhaft fuhr er fort:
»Da müssen wir uns sofort eine glaubhafte Geschichte ausdenken. Daß wir vom Himmel in die Südsee gefallen sind, können wir ihnen nicht erzählen. Auf welche plausible Weise könnten wir denn hierhergekommen sein?«
Garrison zwängte seinen Leib eben in einen blauen Sweater. Als sein Kopf wieder zum Vorschein kam, antwortete er:
»Selbstverständlich sind wir vom Himmel gefallen, Bolton. Merken Sie sich die Geschichte, falls man Sie auf englisch ausfragen sollte. Am 22. August haben wir in Adelaide ein Flugzeug gekauft, um damit einen Forschungsflug über die Südsee zu unternehmen. Infolge einer Motorstörung mußten wir nach 40 Stunden niedergehen …«
»Sie meinen in der Antarktis damals, Garrison?« unterbrach ihn Bolton.
»Unsinn, Bolton! Die Antarktis hat in unserer Geschichte gar nichts zu suchen. Bei einer einsamen Insel in der Südsee mußten wir niedergehen. Unser Flugzeug wurde von der Brandung zerstört. Es gelang uns, an Land zu kommen. Im Laufe mehrerer Wochen haben wir dann ein Boot gebaut, um damit Tahiti zu erreichen. Von unserer angeblichen Notlandung an erzählen wir die Geschichte so, wie sie wirklich gewesen ist. Desto weniger laufen wir Gefahr, uns zu verheddern und widerstreitende Angaben zu machen. Sind Sie jetzt im Bilde?«
Bolton nickte und mischte sich einen zweiten Soda-Cognac.
Mit Interesse hörte Kapitän Monsieur Lemaître den Bericht der beiden Schiffbrüchigen und bat sie, sich auf der Fréjus bis zur Landung in Brisbane wie zu Hause zu fühlen. Mit sehr gemischten Gefühlen vernahmen die Amerikaner, daß die Reise bis dorthin noch rund vierzehn Tage beanspruchen würde. Zwei lange Wochen, die noch verstreichen mußten, bevor sie wieder etwas in der Angelegenheit unternehmen konnten, auf die beide jetzt mehr denn je versessen waren.
Erfreulicherweise befand sich wenigstens eine Funkanlage an Bord, und Monsieur Lemaître ließ es sich nicht nehmen, mit allen Einzelheiten die Nachricht in die Welt hinauszufunken, daß seine opfermutige Mannschaft zwei amerikanische Forscher gerettet habe und mit nach Brisbane bringe.
Der Funkspruch wurde in Australien aufgenommen. Mit dem Zusatz, daß man nun über das Schicksal der so lange als verschollen betrachteten Amerikaner nicht mehr in Sorge zu sein brauche, gab ihn der Kurzwellensender von Melbourne weiter. Von vielen Stationen der Erde wurde die australische Sendung empfangen. Auch Rudi Wille hörte sie an seinem Apparat und schrieb sie nieder.
Verwundert ging er mit dem Radiogramm zu seinem Vater und Dr. Schmidt, und bei denen löste es ein schweres Rätselraten aus. Wie ließ sich diese Nachricht aus Australien mit jener andern zusammenbringen, daß ›St 8‹ die beiden Amerikaner bei Neapel abgesetzt habe? Ein Depeschenwechsel entwickelte sich daraus, der den Herren in Walkenfeld noch mancherlei Kopfzerbrechen verursachten sollte.
Kapitän Lemaître hatte die Amerikaner eingeladen, an den regelmäßigen Mahlzeiten in der Offiziersmesse der Fréjus teilzunehmen. Es war um die Mittagszeit des dritten Tages. An dem langen Tisch in der Messe saßen die Steuerleute und Ingenieure des Dampfers beisammen, als der Funker in die Messe kam und ein Radiogramm vor Kapitän Lemaître hinlegte.
Der las es und brach in ein schallendes Gelächter aus. »Das Neueste aus Europa, meine Herren. Deutschland hat ein Gebiet in der Antarktis in Besitz genommen und zur Kolonie erklärt.«
Schon während der letzten Worte wurde das Gelächter am Tisch allgemein. Worte flogen dazwischen hin und her … armes Deutschland … eine Kolonie am Südpol … in Schnee und Eis … Nacht und Kälte …
Zwei Menschen beteiligten sich nicht an diesem Geschwätz und Gelächter. Bolton – weil er den französischen Text des Radiogramms nicht verstanden hatte – und Garrison, weil ihm der Herzschlag zu stocken drohte, als er den Funkspruch hörte. Er schwieg, bis sich Lemaître direkt mit der Frage an ihn wandte, wie man wohl in den
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