Ein Stern fiel vom Himmel
›Walkenfeld‹ bzw. ›Bay City‹ nach Hause schicken und darüber hinaus schöne Ersparnisse machen konnten. Weiter hatte man mit allen Mitteln der Technik und Hygiene Lebens- und Arbeitsverhältnisse geschaffen, die irgendwelche Unzufriedenheit und Sehnsucht nicht aufkommen ließen. Und schließlich – alle Beteiligten hatten sich dem freiwillig und gern unterworfen – hatte man eine Zensur für die Korrespondenz eingeführt. In allen Briefen, die zu den Angehörigen in Deutschland und den USA kamen, stand nur zu lesen, daß man eifrig mit Aufbauarbeiten beschäftigt sei.
Begreiflicherweise ließ es sich nicht vermeiden, daß solche Briefe von Hand zu Hand gingen und daß gelegentlich der eine oder andere auch einmal in unrechte Hände geriet. Aber der Inhalt war infolge der Zensur so unverfänglich, daß weder im Inland noch im Ausland irgend jemand den wahren Sachverhalt ahnte.
In den Zeitungen erschienen hin und wieder ironisch gefärbte Artikel über das deutsche Gebiet in der Antarktis, verbunden mit Bemerkungen über die wirtschaftliche Aussichtslosigkeit derartiger Unternehmungen. Mit der Erwerbung hatte man sich längst abgefunden. Es lohnte sich nicht, um diesen Fetzen vereisten Landes noch diplomatische Noten zu wechseln, es wäre schade um das dabei verschriebene Papier gewesen.
So war die allgemeine Lage, als der Tag sich jährte, an dem die ersten Bauten an dem Krater entstanden waren und die ersten Maschinen dort zu arbeiten begonnen hatten. Unablässig waren seitdem die Stratosphärenschiffe mit ihrer kostbaren Ladung nach Bay City und nach Walkenfeld geflogen, zuerst noch mit Goldbarren, seit Monaten schon mit gemünztem Gold beladen. Nach reiflicher überlegung hatte sich die Regierung entschlossen, auch die Ausprägung der Goldmünzen in der Antarktis vorzunehmen, weil nur dort absolute Gewähr für die Geheimhaltung gegeben war. Stetig war der Goldschatz gewachsen, bis an die Gewölbedecken der Keller war die goldene Flut gestiegen.
Da kam die große überraschung, die der internationalen Hochfinanz für Tage die Sprache raubte und die Welt den Atem anhalten ließ. Drei kurze Zeilen im Amtl. Verordnungsblatt waren es, welche diese gewaltige Wirkung hervorriefen:
»Die Verfügung vom 2. August 1914 wird aufgehoben. Die Deutsche Staatsbank ist wieder verpflichtet, ihre Banknoten in Gold einzulösen.«
Dunkel kam den alten Leuten die Erinnerung an längst versunkene Zeiten vor den großen Kriegen, da noch funkelnde Goldstücke von Hand zu Hand gegangen waren. Die jüngeren wußten nichts mehr davon, hatten noch niemals in ihrem Leben ein goldenes Zwanzigmarkstück gesehen.
Sollte man wieder bestimmen dürfen, ob man eine Summe in Papier oder in Gold haben wollte? Die Alten zweifelten. Nur vorsichtig wagten sie den Versuch. Hier und dort gab der eine oder andere in einer Bankfiliale einen Schein hin, fragte zögernd, ob er Gold dafür erhalten könne. Sah dann, daß kein Traum ihn narrte, daß das Wunder Wahrheit wurde. Klingend sprang der Gegenwert seines Bankscheines in Form neuer blinkender Goldmünzen auf das Zahlbrett und wurde ihm hingeschoben.
Wie ein Lauffeuer ging die Kunde von Mund zu Mund: »Es ist wirklich wahr. Man bekommt in den Banken Gold für sein Papier, für das es so viel lange Jahre immer nur wieder anderes Papier gab.«
Tagelang drängte sich das Volk an den Bankschaltern und in den Wechselstuben, um seine Noten einzulösen; jeder von dem Gedanken getrieben, noch rechtzeitig zu kommen, noch etwas von dem goldenen Segen zu erhaschen. Denn daß der Schatz nicht ewig reichen könne, daß er bald, vielleicht schon morgen, vielleicht schon in der nächsten Stunde erschöpft sein müsse, das hielten alle für gewiß. Nicht nur in Europa, sondern auch an den überseeischen Geldplätzen war man felsenfest davon überzeugt.
Die Post konnte in diesen Tagen hohe Einnahmen verbuchen. Auf viele Stunden mieteten sich die Berliner Korrespondenten der großen ausländischen Zeitungen die teuersten Drähte, um jede Phase der neuen Entwicklung ihrer Redaktion sofort zu melden, und geringfügige Zwischenfälle blieben in dieser aufgeregten Zeit auch nicht aus. Hin und wieder geschah es, daß der Goldvorrat irgendeiner Depositenkasse dem Ansturm nicht gewachsen war und die Auszahlungen unterbrochen werden mußten. Selten dauerte es länger als eine Stunde, bis dann ein Panzerauto vor der Filiale hielt, schwere Kisten ausgeladen wurden und gleich danach wieder das klingende Spiel auf
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