Ein Stern fliegt vorbei
konstruiert worden war, und auf dem zweiten Planetoiden riesige Blöcke Uranpechblende transportierte, oder wenn sie später die Fundamente für das Atomkraftwerk goß oder den Elektrostahlofen bediente, der wie andere produktive Einrichtungen eines Tages vom Werkstatt-Geschwader auf den Planetoiden verlegt wurde – oft dachte sie dann zurück an den Augenblick, wie sie zum erstenmal den kosmischen Himmel über sich gesehen hatte, damals auf dem Mond, neben sich einen nichtsahnenden jungen Mann, Lutz, ihren Mann, den Gleichaltrigen, Gleichen, dem gegenüber sie sich damals um soviel älter gefühlt hatte, weil die Furcht sie befallen hatte, Furcht vor dem, was sie jetzt mit Füßen trat, mit ihren eigenen oder mit denen ihres Gerätes. Sie dachte gern daran. Wirklich alt wird man erst, wenn man anfängt die Erinnerung an naive Gedanken und Gefühle der Jugendzeit unwillig zurückzuweisen.
Aber natürlich dachte sie nicht nur daran. Sie studierte bei der Arbeit gewissermaßen das Verhalten ihres Arbeitsobjekts, nicht wie die anderen, um die größtmögliche Zweckmäßigkeit ihres eigenen Verhaltens zu gewinnen, sondern mit dem Ziel neuer Einsichten für den Einsatz selbstorganisierender Maschinensysteme. Das ließ sie oft ungeschickt erscheinen, und mehr als einmal mußten ihr die anderen aus der Patsche helfen. Aber sie machte sich nichts aus dem kräftigen Spott, der sich dann über sie ergoß, sie lachte mit, und das nicht der Form wegen, sondern aus vollem Herzen.
Nur Lutz wußte, warum sie eine Sache vier-, fünfmal falsch machte, bevor sie sie richtig anfaßte. Aber er wußte es auch nur, weil sie hinterher mit ihm ihre Erfahrungen besprach, nach weiteren Fehlermöglichkeiten forschte und schließlich ein Regelsystem mit negativer Rückkopplung gegen diese Fehler skizzierte.
Das alles waren Vorarbeiten, und, wenigstens dem Generalplan nach, nicht einmal unbedingt notwendige. Aber Yvonne dachte weiter, und Lutz bestärkte sie darin. Mußte nicht dieser ganze unerhörte Aufwand, der hier getrieben wurde, auch Früchte hervorbringen, von denen die Menschheit nach ihrem Sieg noch zehren konnte? Und davon abgesehen – konnte nicht der Fall eintreten, daß notwendige Arbeiten auf diesem oder jenem Planetoiden oder Bruchstück durch unvorhergesehene Umstände lebensgefährlich wurden, so daß man durch den Einsatz einer solchen Maschinerie Opfer an Leben und Gesundheit der Mitkämpfer vermeiden konnte?
Mit solcher Möglichkeit mußte unbedingt gerechnet werden – und sie trat dann auch ein. Unter den mittleren Bruchstücken, die reiche Uranerzlager besaßen, war eins, das im Laufe des kommenden halben Jahres häufig durch Schwärme und Schwaden gehen würde, und das würde für die dort Arbeitenden, wenn auch nicht gefährlich, so doch außerordentlich hemmend und aufreibend sein. Auf diesem Bruchstück schufen Yvonne, Miguel und Ljuba ihre erste kleine Maschinenwelt.
Der Grundgedanke war recht einfach: Etwa fünfzig dieser wie riesige Spinnen aussehenden Universalgeräte wurden mit Elektronengehirnen ausgestattet, groß genug, ihre Bewegungen und einfache Arbeitsvorgänge zu automatisieren, und mit einem gewissen Überschuß an Struktur, der ihnen gestatten würde zu „lernen“, das heißt zweckmäßigere Verhaltensweisen von unzweckmäßigeren zu unterscheiden und die zweckmäßigsten zu speichern, wobei – des Experiments wegen – dieser Überschuß verschieden groß gehalten wurde. Ferner erhielten die Geräte statt des Scheinwerfers einen Radarfühler – natürlich einschließlich der Fähigkeit, das Bild der Umgebung zu verarbeiten – und ein Funkgerät.
Außerdem wurden die nötigen Material- und Werkzeuglager angelegt und schließlich, in einer tiefen Höhle, sicher vor Meteoriten und anderen Einflüssen, das Kernstück: das Leitgerät, das in seinen Speichern alles notwendige Wissen über Technologie, Arbeitsvorgänge, Werkzeuge, Örtlichkeit usw. enthielt und fähig war, diese zu verarbeiten und über Funk den Geräten die nötigen Direktiven zu geben. Das Leitgerät, sozusagen das Gehirn dieser kleinen Maschinenwelt, war auf vielfache Weise gesichert. Nicht nur daß es – wie gesagt – in einer Höhle steckte; auch waren alle seine Teile gedoubelt, bei Ausfall eines Teils würde sich das Double automatisch einschalten. Die Sende- und Empfangsantennen waren sogar dreifach vorhanden, an weit auseinanderliegenden Stellen der Oberfläche. Und natürlich hatte es auch einen großen
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