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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Strukturüberschuß, und man war geradezu gespannt, was es damit wohl anfangen würde.
    Diesem Leitgerät war die Aufgabe gestellt worden, das Erz mit den vorhandenen Hilfsmitteln abzubauen und zu lagern. Oder anders ausgedrückt: Dieses Gerät strebte mit der gleichen gesetzmäßigen Unbeirrbarkeit, mit der sich auf Erde das Wasser eines Flusses unter den manchmal kaum sichtbaren Niveauunterschieden den tiefsten Punkt und so in der Folge sein Bett bis zum Meer wählt – mit der gleichen Unbeirrbarkeit also, aber mit viel ausgeprägteren Möglichkeiten des Variierens strebte dieses Gerät einem Zustand zu, in dem das gesamte hier vorhandene Erz abgebaut und zum Abtransport bereitgestellt war.
    Nachdem sie alles eingerichtet hatten, überließen sie die Maschinen sich selbst. Zwar plagte sie immer wieder das Verlangen, sich anzusehen, was dort vor sich ging, aber sie mußten sich dieses Vergnügen versagen, weil der Durchgang des Bruchstücks durch die verschiedenen Schwärme und Schwaden gerade begonnen hatte. –
    Lutz war von einem Besuch bei Duncan Holiday mit gerunzelter Stirn zurückgekehrt. Yvonne las ihm vom Gesicht ab, daß er sich Sorgen machte.
    „Geht es nicht voran bei Duncan?“ fragte sie.
    „Das ist es nicht“, antwortete Lutz. „Das kann man ja nicht zwingen. Aber es ist doch gut, von Zeit zu Zeit direkte Gespräche zu führen. Das ist persönlicher als über Telebild. Und dabei kommt dann so was heraus.“ Er schüttelte den Kopf. „Duncan hat mir erzählt, daß er schon lange nicht mehr mit Me I-ren zusammenlebt. Schon jahrelang nicht mehr.“
    „Na und?“ fragte Yvonne. „Das ist doch seine Sache.“
    „Hast du die erste Expedition vergessen? Die Lethargie? Bei uns hat sich zwar so ein Sprachgebrauch herausgebildet, daß wir von Wohnsiedlungen, von Besuchen und allen möglichen anderen irdischen Dingen sprechen, wenn wir unsere Raumbedingungen meinen, und das ist vielleicht sogar ganz gut so. Nur darf das doch niemand darüber hinwegtäuschen, wie tief wir im Weltraum stecken! Und dann so was! Aber das ist noch nicht alles. Es zieht ihn zu Nadja zurück. Aber sie weicht ihm aus, gibt ihm keine Gelegenheit zu einer persönlichen Aussprache, richtet es immer so ein, daß sie nie allein sind. Ganz egal, wie man sein Verhalten beurteilt – hineingucken kann da sowieso keiner –, aber das ist nicht in Ordnung.“
    „Urteilst du nicht ein bißchen schnell?“ wandte Yvonne ein.
    „Ist dir noch nicht aufgefallen, daß Nadja harte Linien im Gesicht bekommen hat? Und daß sie immer dann hervortreten, wenn alle Arbeiten planmäßig laufen? Und verschwinden, wenn es Schwierigkeiten gibt?“
    „Ich weiß nicht“, sagte Yvonne zögernd, „du siehst sie natürlich öfter.“
    „Bei Henner Hellrath damals wollte ich auch etwas unternehmen und habe gezögert, bis es zu spät war. Nein, hier muß was geschehen, und wenn’s Tränen kostet.“
    Einige Tage später ergab sich eine Gelegenheit für Lutz. Er lockte unter einem Vorwand Nadja und Duncan, der gerade an Bord des Flaggschiffs SIRIUS war, in seinen Arbeitsraum.
    „Ich bitte den Vorwand zu entschuldigen“, begann er etwas steif und förmlich, „unter dem ich euch hierhergebeten habe. Es gehört zu meinen Pflichten, dafür zu sorgen, daß nichts Wichtiges auf lange Zeit unausgesprochen bleibt. Ich muß diese Pflicht auch euch gegenüber wahrnehmen. Ich weiß, ich bin viel jünger, weniger erfahren, ich bin vielleicht auch nicht einmal das, was man eine Persönlichkeit nennt. Aber ich bestehe darauf, daß ihr euch aussprecht. Ihr seid es euch selbst, der Flotte und unserer Sache schuldig. Schimpft auf mich, aber geht bitte nicht aus diesem Raum, ohne miteinander gesprochen zu haben!“ Er wandte sich um und ging hinaus.
    Beide saßen eine Weile da, ohne sich anzusehen. Dann erhob sich Duncan und wollte auf Nadja zugehen, aber als sie ihn ansah, blieb er stehen, zwei Schritte vor ihr.
    „Wir haben graue Haare“, sagte Duncan. „Wollen wir Sentimentalitäten vermeiden.“
    Nadja brachte es fertig zu lächeln. „Eben!“ antwortete sie. „Neues in deinen Forschungen?“
    „Nadja“, sagte Duncan mit einer leisen Bitte in der Stimme. „Wenn es dir so ganz gleichgültig wäre, mit mir allein in einem Raum zu sein, warum hättest du dann bisher jede Gelegenheit dazu vermieden?“ Er setzte sich wieder. „Wollen wir uns nicht wenigstens über die Vergangenheit aussprechen?“
    „Wir haben jetzt an die Zukunft zu denken, und das reicht

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