Ein Stern fliegt vorbei
Sektor ging in der Regel über optische Signale vonstatten, und wer als Gast eine solche Anlage während der Arbeit betrat, war sogar verpflichtet, leise zu atmen.
Die zehn Betriebsingenieure des Senders Terra saßen vor ihren Sektoren bereit. Im Hintergrund waren Hocker aufgestellt worden für die rund dreißig Gäste, aber die meisten waren zu erregt, um sich hinzusetzen. Es bedurfte wiederholter Bitten Lotos, bis sich alle niedergelassen hatten. „Bitte, holen Sie die Rakete auf den Bildschirm“, bat er den Ersten Ingenieur. „Wir haben noch ungefähr zehn Minuten Zeit, und ich muß unseren Gästen einiges erklären.“
Er wandte sich den Zuschauern, den Monteuren und anderen Mitarbeitern zu.
„Unser Ziel, das Sie jetzt gleich auf dem großen Bildschirm sehen werden, ist rund 100 000 Kilometer entfernt. In dieser Entfernung wird der Sendestrahl eine Breite von etwa zehn Meter haben. Gelingt es uns, dieses Ziel einigermaßen zu treffen, so können wir schon ziemlich sicher sein, daß später unsere Sendung ankommen wird; denn unser jetziges Ziel bewegt sich etwa mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Quelle der kosmischen Botschaft, die eine Planetenbahn um die Proxima Centauri beschreibt, aber dort, bei der Proxima, wird unser Sendestrahl eine Breite nicht von zehn Meter, sondern von etwa 4 Millionen Kilometer haben. Doch das ist ja noch Zukunftsmusik.“
Er unterbrach seinen knappen Vortrag für einen Augenblick. Auf dem großen Bildschirm in der Mitte der Armaturenwand war jetzt die Rakete sichtbar geworden – oder vielmehr ein Leuchtreflex, der verschwommen die Umrisse der Rakete zeigte.
„Um ein Ziel zu treffen, muß man es orten. Sie werden sich vorstellen können, daß das bei der vorliegenden Entfernung und Geschwindigkeit des Ziels gar nicht so einfach ist. Wir verfahren dabei folgendermaßen: Die Rakete wird ständig von drei verschiedenen Stellen aus unabhängig voneinander geortet, und zwar von der Erde und vom Mond aus mit Radar und schließlich von der Rakete selbst aus mit den üblichen Navigationsmitteln. Unsere Zielrechner ermitteln den Punkt, der den Messungen am ehesten gerecht wird, und richten danach den Sender. Dann – sehen Sie, jetzt erscheint die schematische Darstellung eines Netzes auf dem Bildschirm. Die Rakete hat ein solches Netz soeben ausgestoßen. Die Maschen sind gerade so weit, daß immer ein Knotenpunkt von unserem Strahl getroffen werden muß, wenn der Strahl überhaupt das Netz trifft, das einen Durchmesser von fünfhundert Meter hat. Ich will noch schnell erklären, wie es dann weitergeht: Der Knoten, der getroffen wird, wird auf dem Bildschirm aufleuchten; aber das ist nur etwas fürs Auge, die Rechenmaschinen bekommen ihre Informationen direkt vom Raumschiff. Danach wird dann die Richtung korrigiert. Wenn der große Kreis in der Mitte aufleuchtet, haben wir das Raumschiff erfaßt. Dann kommt es darauf an, ob die Rechenmechanik das sich bewegende Ziel exakt festhält. Aber nun müssen wir schweigen, das Wort hat jetzt der Eins-Ing.“
Er machte eine ausladende, scherzhaft-höfliche Armbewegung zum Ersten Ingenieur hin, als wäre das Wort ein Gegenstand, den man tatsächlich weiterreichen könne. Der „Eins-Ing“, wie er im Raumjargon bezeichnet wurde, drehte sich um und entgegnete lächelnd: „Sagen wir lieber: Das Wort hat jetzt die Quarzuhr.“ Aber dann wurde sein Gesicht ernst, und er wandte sich wieder seinem Pult zu.
Erregt starrten alle auf den Bildschirm. Ein Gongschlag ertönte, und auf einem Buchstabenfeld über dem Schirm erschien das Wort „Sendung“, ein unterdrückter Seufzer ging durch den Raum: Links unten leuchtete ein Knotenpunkt des Gitters rot auf! Loto Gemba hob warnend die Hand, aber das wäre nicht nötig gewesen, alle verhielten sich diszipliniert still.
Der Rhythmus auf den Bildschirmen, Skalen und Lampensystemen veränderte sich: Schneller liefen die Berge und Täler der geometrischen Kurven, erregt blinzelten die farbigen Augen der Lämpchen – die Rechenmaschinen arbeiteten an der Korrektur der Senderichtung. Und schon konnte man am Verlöschen und Aufleuchten der Knotenpunkte auf dem großen Bildschirm erkennen, daß der Strahl auf das Zentrum des Bildes, auf die Rakete zu wanderte. Jetzt mußte der nächste Punkt auf diesem Weg aufleuchten – er leuchtete auf, nach einem Weilchen verlosch er wieder; der Strahl war weitergewandert. Und jetzt…
Jetzt leuchtete das Zentrum auf! Wieder ging ein kaum hörbares Atmen durch den
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