Ein Stern fliegt vorbei
Raum, wieder hob Loto den Arm, zur Ruhe mahnend – da geschah es: Das Zentrum erlosch, der Strahl wanderte weiter.
Er wanderte weiter und erfaßte den nächsten Knotenpunkt. Dann erlosch dieser wieder, und das Zentrum leuchtete wieder auf. Aber wieder erlosch das Zentrum, und ein anderer benachbarter Knotenpunkt leuchtete auf. Der Strahl pendelte offensichtlich um das Ziel. Es gelang nicht, die Rakete im Strahl festzuhalten!
Durch die Reihe der Ingenieure, die bis dahin wie erstarrt vor ihren Pulten gesessen hatten, war eine leichte Bewegung gegangen; sie hatten am Rhythmus der Lämpchen oder an den Kurven und Skalen ihres Abschnitts gemerkt, daß etwas nicht programmgemäß verlief.
Auch die Zuschauer hatten das begriffen. Sie erwarteten, daß nun etwas geschähe, daß die Ingenieure anfangen würden ihre Tastaturen zu bearbeiten – aber die taten nichts dergleichen, und der Strahl pendelte weiter um das Zentrum herum, unaufhörlich, nach wechselnden Richtungen, aber in gleichbleibendem Rhythmus.
Als die Spannung so weit angewachsen war, daß man glaubte, im nächsten Moment müsse sie unerträglich werden, erlosch der große Bildschirm, und in schneller Folge schalteten sich die anderen Teile der Sendeanlage aus. Die erste Testsendung war zu Ende.
Niemand erhob sich, niemand sagte ein Wort. Das Personal des Senders war in tiefes Nachdenken versunken; die Besucher waren ratlos. Sie empfanden, daß sie unter diesen Umständen störten, aber keiner wagte als erster aufzustehen und damit die Konzentration der Wissenschaftler und Ingenieure vielleicht gerade in dem Moment zu stören, da ihnen die Lösung einfiel.
Yvonne sah sich um und blickte ihrer Freundin Ljuba ins Gesicht. Sie gab ihr einen Wink mit den Augen. Ljuba verstand und erhob sich leise, um hinauszugehen. Zögernd, aber genauso geräuschlos folgten ihr die anderen – bis einer, es war wieder Miguel Hernandez, der ungeschickte Transportfahrer, in dem Bemühen, einem Hocker auszuweichen, einen anderen Hocker umstieß.
Das Poltern, das nach der lastenden Stille wie eine Explosion wirkte, ließ alle auffahren, Miguel schoß das Blut ins Gesicht, er wagte nicht, die Augen zu heben, aber Loto Gemba sagte schnell: „Ja, es ist vielleicht besser, wenn unsere Gäste uns noch ein paar Minuten allein lassen. Ich lade Sie nachher alle in den Klub ein, na, sagen wir: in einer Stunde.“
Die anschließende Beratung verlief ergebnislos. Weder die Ingenieure noch Loto oder Yvonne kamen hinter die Ursachen des Pendelns, obwohl sie den elektronisch protokollierten Test noch zweimal durch die Apparaturen laufen ließen. Es gab einfach in keinem Teilsystem des Senders eine Schwingungsquelle mit einer so niedrigen Frequenz von ungefähr einer Schwingung in der Sekunde, und auch in der Umgebung des Senders war eine solche Quelle nicht denkbar. Sie standen vor einem Rätsel und mußten sich, wenn sie ihre Gäste nicht warten lassen wollten, mit der Hoffnung auf die weiteren Tests trösten.
Die Fahrt ging zum beträchtlichen Teil über die Mondoberfläche, da der Sender noch nicht durch einen Tunnel mit der Mondstadt verbunden war. Aber die aus Brennstoffzellen gespeisten Elektromotoren gaben den Wagen eine auf der Erde undenkbare Geschwindigkeit – fünfhundert bis sechshundert Kilometer in der Stunde –, so daß sie ihr Ziel mit nur geringer Verspätung erreichten.
Im Klub des Observatoriums wurde bereits lebhaft diskutiert, als Yvonne, Loto und die Ingenieure dort eintrafen. Yvonne steuerte sofort auf den Tisch zu, an dem ihre Freundin Ljuba mit Miguel Hernandez saß. Ausgerechnet mit dem! Loto blieb stehen, aber Yvonne stieß ihm respektlos in die Rippen, und so setzten sie sich beide mit an diesen Tisch.
Wie immer, wenn junge Leute über ein Thema diskutieren, daß sie nicht ganz verstehen, hatte sich der Streit auf eine Ja- oder Nein-Entscheidung zugespitzt: War der Versuch nun gelungen oder nicht? Loto saß kaum, als er diese Frage schon von Ljuba serviert bekam. Seufzend erhob er sich wieder und hielt eine kurze Ansprache, daß im wesentlichen alles in Ordnung sei, daß nur ein paar Fragen offenblieben, über die man sich schon noch Klarheit verschaffen werde, und daß man nun den Wein der Freude nicht mit dem Wasser der Fachsimpelei panschen solle.
Er hatte zwar nicht viel Hoffnung, was die Wirksamkeit seiner Bitte betraf, aber nachdem er mit einem Toast auf den Sender Terra und seine Erbauer die allgemeine Festivität eröffnet hatte, begann der Tanz,
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