Ein Stern fliegt vorbei
der Vorfahren und Nachkommen; die Aufgabe, von der bislang nur wenige außer ihnen wußten. Sie hatten sich in den letzten Tagen – nach einem kurzen Gespräch über dieses Thema – gründlich geprüft, waren gemeinsam eingedrungen in die Tiefe ihres Fühlens und Denkens und hatten feststellen können, daß die letzten Spuren anfänglicher Unsicherheit gegenüber diesem Ereignis der selbstverständlichen Gewißheit gewichen waren, daß die Bevölkerung der Erde diese Aufgabe lösen würde und daß sie selbst nach dem Maß ihrer Kräfte und Fähigkeiten dabei ihren Platz einnehmen würden – vielleicht nicht die bedeutende Position, die ihnen jetzt durch die Fügung der Dinge zugefallen war, aber jedenfalls ihren Platz.
Nun also wieder hinein ins Getriebe! Die Vorbereitungszeit ging ihrem Ende zu, in wenigen Wochen würden die drei Raumschiffe von der UKKA, der Untersuchungskommission für Kosmische Angelegenheiten, abgenommen werden – und dann kamen die endgültige Auswahl der Besatzungsmitglieder und die Information der Teilnehmer, bei der Lutz sie mit den Ergebnissen der bisherigen Beobachtung des Planetoidensystems und mit dem ganzen Umfang ihrer Aufgabe vertraut machen sollte.
Lutz war seit langem nicht mehr einverstanden mit der Geheimhaltung der Gefahr. Er hatte einen Plan für die Informierung der Erdbevölkerung ausgearbeitet, der seiner Meinung nach die befürchteten Panikerscheinungen ausschalten würde. Der Weltrat hatte den Plan auch im Prinzip gebilligt, aber seine Verwirklichung bis zur Rückkehr der Expedition ausgesetzt. Lutz hatte sich dem Beschluß gefügt, wenn auch ungern, aber bei der bevorstehenden Information der Besatzungen würde er sich wohler fühlen als seinerzeit bei der Pressekonferenz. Es war überhaupt interessante, problemreiche Arbeit, die auf ihn wartete; die aufreibende Kleinarbeit, die Zusammenstellung der mitzuführenden Informationen, Aussprachen mit Hunderten von Wissenschaftlern, mit Dutzenden von Raumpraktikern lagen hinter ihm.
Seine Gedanken richteten sich nach vorn. Drei Stunden blieben ihm noch bis zur Ankunft auf der STARTSTUFE II. Er öffnete seine Mappe und nahm ein Schriftstück heraus, das den Titel „Prinzipien für die Auswahl der Expeditionsteilnehmer“ trug. Er hatte es schon zweimal gelesen – eine akkurate Arbeit der beiden Hellraths und völlig in Übereinstimmung mit seinen eigenen Erfahrungen. Dennoch störte ihn etwas daran, er hatte das Gefühl – ja, was für ein Gefühl eigentlich? Er hatte irgend etwas darin gesucht beim ersten Lesen, er wußte selbst nicht was, aber gefunden hatte er es nicht. Und beim zweiten Lesen hatte ihn das Schriftstück gelangweilt. Natürlich war er meilenweit davon entfernt, seinen persönlichen Eindruck zur Grundlage eines Urteils zu machen, aber er hatte wie wohl die meisten Menschen die Erfahrung gemacht, daß die Entdeckung von Kritikwürdigem fast immer ihren Ausgangspunkt in solchen Eindrücken hat. Deshalb nahm er sich jetzt diese Arbeit zum drittenmal vor, denn jede Unterlassung auf diesem Gebiet war eine Sünde, die die Expedition unter Umständen mit großen Opfern würde bezahlen müssen.
Diesmal stutzte er gleich nach der Präambel, die er sonst – wie man eben so tut – als Darstellung allgemeiner Zusammenhänge nur überflogen hatte. Er blickte auf, um den Gedanken, der da aufgetaucht war, genau zu formulieren und Fragen daraus abzuleiten, und dann schlug er in dem Schriftstück nach, las hier einen Abschnitt, dort eine Seite – und las schließlich die ganze Arbeit noch mal in einem Zuge durch. Jetzt wußte er, was ihn gestört hatte.
In der Präambel stand der Satz: Bei den Prinzipien für die Auswahl muß berücksichtigt werden, daß die voraussichtliche Dauer der Expedition mit zwei bis drei Jahren alle bisherigen Erfahrungen auf diesem Gebiet übersteigt und besondere, im einzelnen noch nicht absehbare Anforderungen an die Teilnehmer stellt.
Und wie war dieser kluge und richtige Satz in den Prinzipien berücksichtigt worden? Eigentlich nur, indem die Autoren die sonst üblichen Bedingungen für die Teilnahme verschärften: Vielseitigkeit in den Arbeitsfertigkeiten, körperliche und psychische Robustheit selbstverständlich, künstlerische Neigungen, die im Kollektiv einander ergänzten – genügte denn das? Möglicherweise stellte die Expedition ganz andersgeartete Anforderungen als alle bisherigen kosmischen Unternehmungen? Zum Beispiel blieb auf bisherigen Reisen, bei aller Schwärze des
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