Ein Stern fliegt vorbei
die Dünen und ein paar Meter durch den Waid, bis zu dem kleinen, alten, zweistöckigen Haus, dessen Fenster schon erleuchtet waren.
„Halt!“ sagte Lutz, als Yvonne eben eintreten wollte. „Ich will dir noch was sagen!“
Er nahm sie in die Arme und flüsterte ihr ins Ohr: „Trockne dir nicht zu sehr den Kopf ab. Ich will, daß deine Haare heut abend nach Salzwasser riechen.“
„Heute abend haben wir Gäste“, wehrte sie lachend ab. „Dein Vater hat Bekannte eingeladen.“
„Dieser heimtückische Mensch“, knirschte er, und dann traten sie beide lachend ins Haus.
Dort warteten auf sie der Förster, der Gastronom dieses Strandabschnitts, der Leiter einer nahegelegenen Meeresfarm und natürlich Loto Gemba selbst, der nach seiner Genesung die hiesige Funkleitstelle für den Raketenverkehr übernommen hatte, wohl weil er hier in der Heimat seiner Frau lebte und trotzdem wenigstens gedankliche Verbindung zu seiner eigenen Heimat hatte – denn hier kreuzte die euro-afrikanische Nordsüdlinie, die von Kapstadt über Kinshasa, Tschad, Tripolis, Rom, Wien, Prag und Berlin nach Kopenhagen und Oslo führte, die Ostseeküste.
Die Unterhaltung drehte sich natürlich – wie konnte es anders sein – um Yvonnes und Lutz’ Arbeit. Die erste Veröffentlichung der Tatsachen hatte alle Gemüter erregt, ein paar Wochen lang war über nichts anderes gesprochen worden, Leute mit kosmischen Kenntnissen standen hoch im Kurs – aber dann war man wieder zur Tagesordnung übergegangen. Freilich hielt nach wie vor der Andrang bei kosmischen Vorträgen und anderen Veranstaltungen an, und auch Loto war nicht davon verschont geblieben.
So hatten die drei Nachbarn die Einladung sehr gern angenommen, und es war auch für Yvonne und Lutz ganz interessant zu hören, wie die Leute hier darüber dachten. Sie fanden es der Sache nach genau so, wie sie es später in Paris während des Besuchs bei Yvonnes Eltern fanden, wenn auch dort mit mehr Temperament und Witz ausgedrückt und nicht in der schleppenden, ein wenig grüblerischen Art der Bewohner der Ostseeküste – überall waren die Leute ziemlich einhellig der Meinung, die Kosmonauten würden den Stier schon richtig bei den Hörnern packen.
Als Yvonne einmal hinausging, um nach dem Stolz des Großvaters, der kleinen Kathleen, zu sehen, sagte der Förster blinzelnd: „Euer Plan ist wohl gut – bloß ob das alles so gehen wird? Das ist doch so: Man macht sich einen Plan, das ganze Leben mit einer Frau zusammenzubleiben, und dann gibt’s Schwierigkeiten, keine großen, bloß so kleine, aber man kommt nicht darüber hinweg, und dann läuft einem eine andere über den Weg, die hat auch nichts anderes, aber trotzdem… Verstehen Sie, was ich meine? Der Teufel steckt im Detail!“
Alle lachten, und Lutz fragte: „Aber der Plan ist trotzdem richtig?“
„Das will ich meinen.“ Der Förster nickte.
„Dann werden wir die Details mit Rechenmaschinen traktieren, die fürchtet der Teufel heute mehr als das Weihwasser.“
Lutz wäre an Herzdrücken gestorben, wenn er nicht das letzte Wort gehabt hätte, aber im stillen mußte er dem Förster recht geben. Hatte nicht die Expedition erwiesen, daß die größten Schwierigkeiten oft aus scheinbar zweitrangigen Ursachen entstehen, zum Beispiel aus einer unbekannten Krankheit? Den Plan zur Bekämpfung der Gefahr zu ermitteln und zu formulieren – das war reibungslos gegangen. Aber die erste Schwierigkeit hatte sich schon in Gestalt der Sechsecke ergeben, und weitere würden sich zeigen, wenn man daranging, den Plan zu verwirklichen. Sie genauer vorherzusehen oder vorherzuahnen, besser darauf vorbereitet zu sein bei der nächsten Expedition, das würde ihre, Lutz’ und Yvonnes, Aufgabe sein, wenn sie nach ihrem Urlaub, in einem halben Jahr etwa, wieder an die Arbeit gehen würden.
Zunächst aber führte sie ihr Urlaub nach Paris, zu Yvonnes Eltern. Ein Versprechen, schon vor der Expedition gegeben, sollte endlich eingelöst werden: Lutz mußte sich die Musikinstrumentensammlung, die der alte Tullier verwaltete, die größte Europas, ansehen. Die Aussicht darauf begeisterte ihn nicht, denn er hatte eine Abneigung gegen verstaubte Museen, und ein Musikkenner war er auch nicht gerade; aber er freute sich darauf, die Umgebung kennenzulernen, in der seine Frau aufgewachsen war, und ihren Vater in dem Bereich zu beobachten, in dem er heimisch war. Es ist ja doch immer ein gewaltiger Unterschied, ob man jemanden kennenlernt in der mehr oder
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