Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1
aber was soll’s? Es ist ja für einen guten Zweck.«
Oskar schüttelte den Kopf. »Wovon redest du?«
»Na, hiervon!« Mathilda hielt ihm ein schmales, circa fünf Zentimeter langes Kunststoffgehäuse vor die Nase. »Der WLAN-Stick. Für meinen Computer!«
»Ach sooo!« Allmählich setzte in Oskars Oberstübchen die Morgendämmerung ein. »Damit du ins Internet kannst.«
»Genau«, sagte Mathilda. »Die Anzeige war heute Morgen in der Zeitung. Wohnungsauflösung, Elektrogeräte, PC und so weiter. Das meiste ist allerdings Schrott. Die Leute, die hierwohnen, haben ja nix. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass ich dem Typen da oben fünfzig Euro geben konnte. Ich sag dir, Oskarchen, der hat vielleicht geguckt!«
»Kapier ich nicht«, sagte Oskar.
»Mann!«, stöhnte Mathilda. »Der wollte nur zehn Euro für den Stick.«
»Und du hast ihm
fünfzig
gegeben?« Oskar schüttelte abermals den Kopf. Er wurde aus diesem Mädchen einfach nicht schlau.
»Der hätte den Schein sowieso nicht wechseln können«, meinte Mathilda.
»Na, du bist vielleicht eine«, sagte Oskar und grinste. »Hoffentlich funktioniert das Ding auch.«
Mathilda begutachtete den Stick von allen Seiten und schob ihn schließlich in ihre Rocktasche.
»Ach, und wenn nicht, ist es auch egal«, erwiderte sie. »Im Moment ist es sowieso viel wichtiger, dass ich den Mofamotor für mein Fahrrad in Gang kriege.«
»Wieso hast du dir diesen Stick dann überhaupt gekauft?«
»Erstens, weil es eine gute Idee von dir gewesen ist«, begann Mathilda. »Zweitens, weil ich mir am Samstag bereits vorgenommen hatte, mich heute darum zu kümmern, und drittens, weil ich den Stick garantiert irgendwann einmal brauche.«
Oskar blinzelte sie an und grunzte zufrieden. Endlich schien auch Mathilda zu begreifen, welche Magie in der Zahl Drei verborgen lag!
Oskar und Mathilda liefen durch die Hochhaussiedlung zur Haltestelle zurück. Sie schlugen einen weiten Bogen um das Einkaufscenter, kamen an einem Spielplatz voller rostiger und kaputter Klettergeräte und einer Brachwiese, die mit Hundekackhaufen gepflastert war, vorbei.
»Schöne Gegend«, murmelte Oskar. Es war kaum zu glauben: Arm und Reich trennten hier gerade mal eine halbe Stunde Busfahrt und vielleicht zweihundert Schritte zu Fuß.
Mathilda nickte. »Dahinter verläuft übrigens die Bohmfelder«, sagte sie leichthin und deutete auf ein paar heruntergekommene Flachbauten. »Die Eingänge sind auf der anderen Seite. Julius wohnt auch in so einem Ding.«
Sie hatte es kaum ausgesprochen, da schälte er sich auch schon zwischen zwei parkenden Autos hervor, blickte sich um und hastete in Richtung Einkaufscenter davon.
»Teufel noch mal«, sagte Mathilda. »Man darf ja nicht mal an ihn denken!« Sie hüpfte auf und ab und fuchtelte mit den Armen. »He! Juuulius! Hallo!«
Julius stoppte, wandte sich um und kniff die Augen zusammen. Er machte jedoch keine Anstalten, zu ihnen herüberzukommen. Im Gegenteil: Wie ertappt drehte er sich wieder um und rannte einfach weiter.
»Was ist denn in den gefahren?«, wunderte sich Mathilda.
»Vielleicht hat er was ausgefressen«, sagte Oskar.
»Na, hör mal! Julius doch nicht.«
Oskar zuckte mit den Schultern. Ganz offensichtlich ließ Mathilda auf diesen Jungen nichts kommen. Irgendwie imponierte ihm das. Oskar fand es gut, wenn man zu seinen Freunden stand. Und vielleicht lag Mathilda ja richtig und dieser Julius war wirklich ein feiner Kerl. Trotzdem wurde Oskar das Gefühl nicht los, dass etwas mit ihm nicht stimmte.
Als sie mit dem Bus an der Haltestelle Veilchenweg, Ecke Rosengasse ankamen, war es bereits zwanzig nach fünf. Den ganzen Rückweg über hatten Mathilda und Oskar geschwiegen. Es war, als stünde Julius wie ein unsichtbarer Geist zwischenihnen, und er verschwand erst, als die Villa von Dommel und Opa Heinrichens Haus in Sichtweite kamen.
»Hoffentlich macht meine Mutter sich keine Sorgen«, meinte Oskar und legte einen Zahn zu. »Sie weiß ja gar nicht, wo ich bin. Ich hätte ihr einen Zettel hinlegen sollen«, fügte er etwas leiser hinzu.
Es stellte sich jedoch heraus, dass er sich völlig umsonst Gedanken gemacht hatte. Henriette Habermick war nämlich noch immer in Opa Heinrichens Haus beschäftigt. Mit Besen, Schrubber und Putzeimer bewaffnet stand sie auf den Steinstufen vor der Eingangstür und unterhielt sich mit zwei Polizisten.
Opa Heinrichen schlappte in seinen Lederschlappen auf dem Zuweg auf und ab, hielt die Hände in seine hageren
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