Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1
hätte, wie umfangreich sie sei und in welcher Höhe der Mietpreis angegeben war.«
»Hm.« Oskar schlug das Sachkundebuch zu und stopfte es in den Ranzen. »Das ist wirklich komisch.«
»Sag ich doch«, sagte Henriette Habermick. »Im Nachhinein könnte es einem so vorkommen, als ob er die Anzeige gar nicht selber aufgegeben hätte.«
»Du meinst, weil er gewusst hat, dass er dann Scherereien bekommt?«, hakte Oskar nach.
Seine Mutter sah ihn irritiert an. »Ja, das vielleicht auch«, entgegnete sie und wieder wurde ihr Blick abwesend.
Oskar vergewisserte sich, dass sein Gummistiefel, das Backbuch, der Bär und die Tüte mit den Mokkabohnen an ihrem jeweiligen Platz lagen, dann schlüpfte er unter die Decke und schloss die Augen.
Bestimmt war es besser, wenn er jetzt keine Fragen mehr zu diesem Thema stellte. Sonst kam seine Mutter womöglich noch auf die Idee, gleich heute Abend auszuziehen und im Vielendorfer Bahnhof zu übernachten. Und dann würdeer sich nicht einmal mehr von Mathilda verabschieden können.
Ein jäher Schmerz legte sich auf Oskars Herz. Er hatte kein gutes Schicksal, nein weiß Gott nicht. Gerade mal drei Tage waren ihm hier vergönnt gewesen! Moment mal – drei Tage! Himmel, das musste doch etwas zu bedeuten haben. Plötzlich war Oskar sich hundertprozentig sicher, dass seine Zeit in Opa Heinrichens Gartenhaus noch nicht zu Ende sein konnte. Er steckte mitten in einer Dreitagesprüfung, und verdammt, er würde alles daransetzen, sie zu bestehen.
Oskar öffnete die Augen und lächelte seine Mutter an.
Henriette Habermick hatte mittlerweile den Koffer unters Bett geschoben und ihr Nachthemd übergestreift. »Nanu?«, wunderte sie sich. »Hast du was Hübsches geträumt?«
»So ähnlich«, murmelte Oskar.
Er sah seiner Mutter dabei zu, wie sie die Tür abschloss und den Schlüssel auf den Kleiderschrank legte. Nun gut, jetzt wusste er, wo sie das Ding versteckte. Vielleicht kam ihm das ja irgendwann sogar noch zupass. Hauptsache war, dass er sich nicht im Schlaf daran erinnerte.
Zur selben Zeit, als Oskar allmählich ins Traumland hinüberglitt, schüttelte Mathilda ihr Kopfkissen auf. Seit über einer halben Stunde versuchte sie einzuschlafen, doch es wollte ihreinfach nicht gelingen. Abgesehen davon, dass ihr Bettzeug sich immer wieder an den unmöglichsten Stellen zusammenknubbelte, musste sie ständig an Oskar denken und daran, dass er vielleicht nicht mehr lange hier wohnen blieb.
Diese Vorstellung machte Mathilda radekastendoll, und weil sie es hasste, radekastendoll zu sein, drängte sie sämtliche Bilder, die Oskar mit Koffer und Reisetasche zeigten, zornig beiseite und richtete ihre Aufmerksamkeit mit aller Macht auf die unglücklichen Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden. Und schon tauchte Opa Heinrichen in Gefängniskleidung vor ihr auf. Oh nein! Mathilda trommelte mit den Fäusten auf die Bettdecke und fluchte. So weit durfte es auf gar keinen Fall kommen!
Mathilda sprang aus dem Bett und rannte im Zimmer auf und ab, während sie einen klaren Gedanken zu fassen versuchte.
Wer hatte den Löwenzahn in Frau Seselfinks Garten gepflanzt und warum?
War es derselbe, der den Kompost ins Begonienbeet ihrer Mutter geworfen hatte, oder hatten sie es hier gleich mit mehreren Leuten, womöglich gar mit einem Komplott zu tun?
Mathilda blieb mit einem Ruck stehen. »Das ist doch alles Blödsinn«, murmelte sie. »Der Mörder ist immer der Gärtner.« Täter und Motiv standen doch längst fest. Zumindest beinahe. Jetzt musste er bloß noch überführt – oder besser noch – auf frischer Tat ertappt werden.
Langsam ging Mathilda auf das Fenster zu, das zu Opa Heinrichens Grundstück lag. Vielleicht war es ja gut, dass sie nicht einschlafen konnte. Vielleicht würde der Gärtner diese Nacht ein weiteres Mal zuschlagen. Und wenn das Glück auf ihrer, Oskars und Opa Heinrichens Seite war, würde sie ihn vielleicht sogar dabei beobachten.
Mathildas Herz klopfte fest, als sie den Vorhang zur Seite schob. Draußen war es noch hell. Sie konnte jede einzelne Gänseblume auf Opa Heinrichens Grundstück erkennen.
Mathilda hockte sich auf das Sims, lehnte ihren Rücken gegen den Fenstersturz und zog die Knie an. Von hier aus hatte sie beide Häuser und den größten Teil des Gartens im Blick. Sogar die Pforte und die rechte untere Ecke des Komposters waren zu sehen. Jetzt musste sie nur noch Geduld haben und warten, bis etwas geschah.
Doch leider geschah nichts. Weder im Hellen
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