Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1
Fall Scherereien machen.«
»Ach, das tun Sie schon nicht«, brummte Mathilda. »Diese blöden Beamten spielen sich doch nur auf. Am Ende ist alles bloß heiße Luft und nix dahinter.«
Jedenfalls konnte sie sich nicht vorstellen, wie die Staatsanwaltschaft Opa Heinrichen nachweisen wollte, dass er den Löwenzahn in Frau Seselfinks Garten gepflanzt und seinen Kompost über die Buchsbaumhecke ins Begonienbeet ihrer Mutter geschmissen hatte. Die Polizisten hatten sich ja nicht einmal mehr das Grundstück angesehen. Und allein der Umstand, dass Opa Heinrichen sie nicht durchlassen wollte, bewies ja wohl noch lange nichts. Außerdem, wenn es hart auf hart kam, würde sie, Mathilda, den Staatsanwalt schon noch auf Frau Seselfinks Gärtner hinweisen. In Mathildas und Oskars Augen war er nämlich der Hauptverdächtige, aber außer ihnen beiden schien das hier niemand so zu sehen. Und am allerwenigsten diese beiden dusseligen Polizisten. So vernagelt wie die musste man erst mal sein. Aber wahrscheinlich hatte die ehrenvolle Nachbarschaft die Beamten mit ihrem Gehetze bereits voll auf Opa Heinrichen eingeschworen.
Mathilda dachte an ihren Vater und Wut kochte in ihr hoch. Dass ausgerechnet ihre Eltern in die Sache verwickelt waren, machte ihr mehr zu schaffen, als sie gedacht hatte. Hoffentlich hatte Papa nicht selbst den Kompost in die Begonien gekippt … Nein, nein! Mathilda wischte diesen Gedankenenergisch beiseite. Es musste der Gärtner gewesen sein. Das mit dem Löwenzahn ebenso wie das mit dem Kompost. Wahrscheinlich bezahlte die geizige Frau Seselfink ihn so schlecht, dass er sich an ihr rächen wollte. Und wer weiß, vielleicht hatte er sich ja auch bei ihren Eltern beworben und war abgewiesen worden.
Und Opa Heinrichen hatte einfach das Pech, dass er zwischen den beiden wohnte. Sein Grundstück war das einzige, das nicht nach außen hin abgeschottet war. Eigentlich konnte es jeder zu jeder Zeit betreten …
Während ihr all das durch den Kopf ging, war Mathilda in Opa Heinrichens Vorgarten herummarschiert. Plötzlich stach ihr etwas Silbriges ins Auge. Es lag direkt vor ihr im hohen Gras, es lugte unter einem Kleeblatt hervor, und es war Mathilda nur aufgefallen, weil just in diesem Augenblick ein Sonnenstrahl darauf fiel.
Mathilda bückte sich und hob es auf.
»Opa Heinrichen!«, rief sie. »Dein Schlüssel! Hier hast du ihn verloren!«
Mit ausgestreckter Hand lief sie auf ihn zu.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Opa Heinrichen. Er nahm den Schlüssel und betrachtete ihn eingehend von allen Seiten. »Ich hatte ihn doch immer zusammen mit den anderen an meinem Bund. Vielleicht ist er das gar nicht.«
Kopfschüttelnd schlappte er auf die Haustür zu und steckte den Schlüssel ins Schloss. Er passte wie geölt.
An diesem Abend packte Henriette Habermick die Koffer.
»Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir möglicherweise nicht länger hierbleiben können«, sagte sie. »Ich möchte auf gar keinen Fall, dass Herr Heinrichen unseretwegen Scherereien bekommt.«
Das wollte Oskar natürlich auch nicht. Er trug bereits seinen Pyjama, saß im Schneidersitz auf dem Bett und blätterte in seinem Sachkundebuch. Was er aber noch weniger wollte, war: wieder von hier weg. Oskar hatte sich schneller eingewöhnt, als er es für möglich gehalten hatte. Er mochte die neue Schule, er mochte Opa Heinrichen und vor allem mochte er Mathilda. Er mochte diesen Garten und er mochte inzwischen sogar die enge Wohnung, das Badezimmer ohne Wanne und das viel zu kleine Schlafzimmer.
»Wie bist du eigentlich auf dieses Gartenhaus gestoßen?«, fragte Oskar. »Durch eine Zeitungsanzeige«, sagte Henriette Habermick. Sie nahm eine bunt geblümte Bluse vom Bügel, faltete sie sorgsam zusammen und legte sie in den Koffer. »Ich habe die Nummer sofort angerufen und meine Verwunderung darüber geäußert, wie man einen Fremden in seinem Gartenhaus wohnen lassen kann.«
»Und was hat Opa Heinrichen da gesagt?«, fragte Oskar.
»Nichts«, erwiderte seine Mutter. Sie hob den Blick zum Fenster, schien kurz nachzudenken und schüttelte schließlichden Kopf. »Wenn ich es mir genau überlege, war das Ganze schon recht merkwürdig«, sagte sie und zog eine weitere Bluse aus dem Schrank.
»Wieso?«, bohrte Oskar weiter. »Was war merkwürdig?«
»Herr Heinrichen«, sagte Henriette Habermick. »Er war merkwürdig. Zunächst hat er nämlich gar nichts gesagt, sondern bloß Fragen gestellt. In welcher Zeitung ich die Annonce gelesen
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