Ein Stiefel voll Glück - Oskar und Mathilda ; 1
durch die Hecke gekrochen war und auf Oskar zulief, merkte sie sofort, dass was im Busch war. Sie sah es daran, dass die drei Sommersprossen ihm irgendwie anders auf der Nase saßen als sonst.
»Die Schule ist Kackmist, oder?«, tastete sie sich heran.
»Nö«, sagte Oskar. »Die Schule ist ziemlich cool.«
»Hm«, machte Mathilda. Sie setzte sich neben ihn ins Gras und stupste ihn mit dem Ellenbogen an. »Was is ’n dann los?«
»Hm«, machte jetzt Oskar. Er schielte Mathilda von der Seite an und überlegte, ob er es ihr erzählen sollte. »Meine Mutter ist zum Putzen bei Opa Heinrichen«, sagte er dann, obwohl das im Augenblick völlig uninteressant war und er es eigentlich auch gar nicht sagen wollte.
»Das ist gut.« Mathilda grunzte zufrieden. »Dann verdient sie ein bisschen Geld.«
»Ein bisschen?« Oskar tippte sich an die Stirn. »Ich wette, sie ist die bestbezahlte Putzfrau der ganzen Welt.«
»Das glaube ich nun wieder nicht«, erwiderte Mathilda. »Aber egal. Außerdem ist das wohl auch nicht der Grund, weshalb du so miesepetrig dreinschaust.«
»Nein«, sagte Oskar. »Der Grund ist mein Vater.«
Jetzt war es heraus!
»Was ist mit ihm?«, erkundigte sich Mathilda. »Hat er auch nie Zeit für dich? So wie meiner?«
»So ähnlich«, druckste Oskar. »Er liegt im Krankenhaus.«
»Oje«, sagte Mathilda mitfühlend. »Ist es sehr schlimm? Was fehlt ihm denn?«
»Das Gefühl«, sagte Oskar. »Oder so ähnlich.«
»Oje!«
»Na ja«, sagte Oskar. »Wenigstens muss er nicht operiert werden oder mit einem Gips rumlaufen. Und einen schlimmen Virus, gegen den es keine Medikamente gibt, hat er zum Glück auch nicht. Dafür weiß niemand, wie lange es dauern wird.«
»Hm«, machte Mathilda und dann saßen sie einfach eine Weile so da, blinzelten gegen das Sonnenlicht, zupften Grashalme aus und hingen ihren Gedanken nach. Schließlich war es Mathilda, die das Schweigen brach.
»Weißt du was«, sagte sie. »Deinem Vater geht es bestimmt gar nicht gut. Aber mir wäre so ein Vater immer noch lieber als einer, der nie da ist oder bis in die Puppen schläft. Dagegen kann man nämlich überhaupt nichts machen. Doch wenn dein Vater meiner wär, dann wüsste ich schon, was ich täte.«
Oskars Augen leuchteten auf. Erwartungsvoll sah er Mathilda an. »Und was?«
»Ich würde immer an ihn denken«, sagte sie, während sie sich auf die Arme stützte, den Kopf in den Nacken legte und in den blauen Himmel hinaufblickte. »Und ich würde ihm alle meine Gefühle schicken. Immer und immer und immer. Davon muss er gesund werden. Das geht gar nicht anders.«
»Ja«, sagte Oskar. Und plötzlich musste er laut lachen. Einfach so.
Mathilda legte ihm einen Arm um die Schultern und ruckelte an ihm rum.
»Du bist mächtig in Ordnung, Oskar Habermick. Ist dir das eigentlich klar?«
Und du erst, Mathilda von Dommel, dachte Oskar. Da er das nicht laut aussprechen konnte, weil die Sache sonst Gefahr lief, kitschig zu werden, beschloss er, ihr eine Tortezu backen. Ja, irgendwann würde er das ganz sicher tun … Vielleicht sogar schon am nächsten Wochenende.
Dann zog Mathilda ihren Arm wieder weg. »Bist du bereit?«, fragte sie.
»Wofür?«, erwiderte Oskar erstaunt.
»Für einen Themawechsel«, sagte Mathilda. »Weg von Vätern und mehr in Richtung Schweinereien.«
»Was denn für Schweinereien?«, fragte Oskar erschrocken.
»Die hier in der Nachbarschaft wegen Opa Heinrichen laufen«, sagte Mathilda. »Das ist ein ganz gemeiner Feldzug, wenn du mich fragst.«
»Tu ich«, sagte Oskar.
Mathilda sah ihn an. »Okay«, sagte sie. »Ich erklär’s dir.« Sie holte einmal tief Luft und dann ratterten die Sätze wie ein Hagelsturm von Flipperkugeln aus ihrem Mund heraus. »Die Nachbarn glauben, dass Opa Heinrichen den Löwenzahn in Frau Seselfinks Garten gepflanzt hat. Und heute Morgen lag ein ganzer Haufen Kompost in Mamas Begonienbeet. Sie behauptet, Opa Heinrichen hätte das Zeug in aller Herrgottsfrühe über die Hecke geworfen. Dabei kann sie das gar nicht wissen, weil sie bis kurz vor sieben geschlafen hat.«
»So ein Quatsch«, erwiderte Oskar aufgebracht. »Opa Heinrichen hat doch einen Komposthaufen. Und der liegt auf der anderen Seite seines Grundstücks. Wissen deine Eltern das nicht?«
»Klar, wissen sie das«, sagte Mathilda. »Aber darum geht es doch gar nicht.«
Oskar zog die Augenbrauen zusammen. »Worum dann?«
»Ja, kapierst du denn nicht?«, rief Mathilda. Sie sprang auf ihre Füße und stapfte
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