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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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Ausstellung zeigt die zeitlose Erhabenheit des Meeres, der Sehnsucht nach den Weiten des Horizonts und der Angst vor der Unbeherrschbarkeit der Elemente. Das Schöne dabei ist, dass es auf natürliche Weise keine Barrieren zwischen Kunst und Publikum gibt. Sie, meine Damen und Herren, sind alle mit dem Schiff über das Meer auf die Insel gekommen, mit anderen Worten, Sie alle hatten Meereskontakt, bevor Sie unser Museum betraten. Da erfüllt sich in gewisser Weise der Sinnspruch von Joseph Beuys, ‹Alle Menschen sind Kunstexperten, außer Kunstexperten›. In diesem Sinne fühle ich mich durch Ihre Anwesenheit sehr geehrt.»
    Dann fügt er hinzu: «Und falls der Dieb vom ‹Friesischen Mädchen› unter uns ist, habe ich eine Nachricht für ihn: Wir finden dich! Unsere Hunde riechen dich schon! Und sie bellen nicht nur, sie beißen! Ohne Vorwarnung! Vielen Dank.»
    Fröhlicher Applaus der Vernissagegäste.
    Die Knurrhähne entern das Parkett. Lükki setzt mir die Prinz-Heinrich-Mütze auf und schiebt mich vor sich her. Die anwesenden Seevögel nehmen den Überläufer aus ihren Reihen staunend zur Kenntnis.
    Mich überfällt das sichere Gefühl, einen Fehler zu machen. Nicht wegen der Seevögel, und auch nicht, weil BKA -Tobias mit verschränkten Armen in der ersten Reihe steht und mich höhnisch angrinst. Nein, hier ist Originalkunst ausgestellt, und mit den Knurrhähnen verkaufe ich mich unter Preis. Die kopieren nur das Klischee. Wie billig wirkt das, wenn ich da mitmache? Ich muss mich sehr zusammenreißen, denn dieser Gedanke raubt mir alle Energie, die ich für den Gesang dringend benötige.
    Zu spät, ich stehe schon auf der Bühne. Also weg mit der Kopfbremse!
    Dann tritt plötzlich ein Mann mit einem Akkordeon vor die Gäste, den ich so gar nicht mehr erwartet habe. Graumeliert, mit Fischerhemd: Kapitän Petersen! Die Knurrhähne grinsen mich an.
    Sie haben mich reingelegt! Von wegen, Petersen ist nicht gekommen, die wussten, dass ich mich geweigert hätte zu singen! Kapitän Petersen wirft mir einen freundlichen Blick zu, spielt auf seinem Akkordeon den Kammerton «A» und verteilt Töne an die verschiedenen Stimmen. Die Herren summen vierstimmig an, dann geht es für mich los: «Ik heff mol een Hamborger Veermaster sehn …»
    Wir bekommen freundlichen bis begeisterten Applaus, auch von Dr. Ringstaed, und sogar von den Seevögeln, Friederike, Gerda und Anna. Nur Vogelwart Markus verschränkt stur die Arme vor seiner Brust.
    Die Knurrhähne klopfen mir anerkennend auf die Schulter. Sekunden später halte ich ein randvolles Schnapsglas in der Hand und kippe mit meinen Chorbrüdern edlen Linie-Aquavit, der traditionell neunzehn Wochen in Fässern von Schiffen reift, die den Äquator kreuzen (auf der Rückseite jedes Etiketts sind der Name des Schiffes und die genaue Zeit der Reise vermerkt). Er schmeckt wunderbar. Von überall kommen Bekannte auf mich zu, um mich zu begrüßen, mein stoppelköpfiger Onkel Arne, Taxi-Ocke, der Freund von Oma und Großvater von Momme, und sogar Kutschenbauer Hauke, der nicht erkennen lässt, ob er noch sauer auf mich ist. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sich Oma mit erhobenen Armen durch die dichte Menschenmenge kämpft. Sie deutet auf Dr. Ringstaed, der umlagert ist von Presse, Funk und Fernsehen; alle wollen an diesem großen Abend etwas von ihm. Oma rührt das nicht im Geringsten, sie ist überzeugt davon, dass sie und ihr Enkel Sönke wichtiger sind als die anderen, und würgt die Journalisten ab.
    Dr. Ringstaed nimmt ihr das nicht einmal übel. Es ist allerdings wie in der Tagesschau: mehr als 1:30 min haben wir bei ihm nicht, um die Welt zu erklären.
    «Moin, Jesper», fängt Oma an. «Das ist mein Enkel Sönke, der mit der Arche.»
    Ein haferflockengroßes Partikelchen Mozzarella klebt in Ringstaeds linkem Mundwinkel, soll ich ihm das sagen? «Moin, Noah», antwortet er. «Schön, dass du da bist.»
    In seinem Museum legt er Wert auf das «Du», im Dänischen ist das «Sie» ja sogar ganz abgeschafft und bleibt allein der Anrede an die Königin vorbehalten.
    «Ich hatte schon mit der Stiftung gesprochen, die fanden die Idee grandios», sagt er. «Aber der Diebstahl hat alles durcheinandergebracht, jetzt haben sie plötzlich Bedenken wegen der Sicherheit. Immerhin ist deine Autofähre kein festes Museum.»
    Damit habe ich gerechnet. «Die Bilder werden 24 Stunden am Tag streng bewacht», versuche ich ihn zu beruhigen. «Ich verlange sogar höhere Auflagen, als die

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