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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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aus der Tasche zu holen und ihn aufzuessen. Direkt vor den Augen der Damen und kleinen Mädchen steckte er sich den Frosch in den Mund, als wär’s ein Zaubermittel, kaute drauf rum und fing dann wie wild an zu lachen. Und natürlich«, sagte der alte Mann hochfahrend, »haben alle diese Frauen ihren Ärger an  mir  ausgelassen, weil sie wußten, daß er mit Fidelia verwandt war und hier draußen lebte, obwohl das auch alles war, was sie wußten. Aber ich konnte da überhaupt nichts machen, weil er nicht so verrückt war, daß man ihn nach Whitfield hätte schicken können, und ich glaube, wenn ich’s je versucht hätte, hätte er mich umgebracht und jeden anderen, den er hätte erwischen können, genauso, wie er’s mit den Choctaws gemacht hat.« Der alte Mann ließ sein Handgelenk los und versank in ein ernstes Brüten, als ob hinter all diesen Albernheiten nach wie vor etwas ganz und gar Rätselhaftes und Unbegreifliches liege. Mr. Lambs Mund öffnete sich ein wenig, und sein Blick war für einen Augenblick ganz abwesend.
    »Wieso ist er so lange geblieben?« fragte er und hoffte, der alte Mann würde etwas zu den Choctaws sagen, ohne daß er direkt fragen müßte.
    Die Augen des alten Mannes starrten weiterhin auf einen Punkt an der weißen Vorraumtür, als ob er gerade etwas vor sich sähe, mit dem er absolut nicht zurechtkam.
    »Also«, sagte der alte Mann klagend. »Er steckte ganz schön in der Klemme. Er hatte 1925 ein kleines Choctawmädchen im Pontotoc County geheiratet, und das Mädel starb bei der Geburt ihres Kindes. Und bevor er auch nur einen Finger rühren konnte, kamen schon ein Haufen ihrer Leute und schnappten sich das Baby, das gesund war, und hauten damit ab und nahmen es mit nach Rough Edge, Mississippi, wo sie unter lauter Pennern lebten, und ließen ausrichten, daß sie’s nicht rausgeben würden, weil sie nicht allzuviel von John hielten und ihm die Schuld an dem Tod des Mädchens gaben. Also ist er da hingefahren, wo sie wohnten, mitten in Rough Edge, und stellte sich auf die Eingangstreppe und sagte, er wär gekommen, um sein Baby zu holen, weil es schließlich seins war. Und sie sagten, daß er sich verpissen sollte und daß er das Baby nicht mal zu sehen bekäme. Und ich nehme an« – Mr. Lambs Augen schienen zurück in die Vergangenheit schauen zu wollen –, »daß er völlig durchgedreht ist, jedenfalls ist er zurück nach Pontotoc gefahren und hat sich seine Schrotflinte geholt und ist wiedergekommen und hat vier von denen mitten auf der Veranda so tot geschossen, wie ’n Indianer nur sein kann, hat sein Baby genommen und es bei seinem Vater in Pontotoc abgeliefert, und als nächstes stand er hier draußen auf der Veranda. Und ich ließ ihn einfach bleiben, weil er sowieso keine andere Wahl hatte. Ich dachte mir, er wär wohl nicht gemeingefährlich, solange er nicht in die Nähe von Indianern käme. Und er ist fünfundvierzig Jahre geblieben, genau in dem kleinen Haus da.«
    »Und was war mit der Polizei?« fragte er und dachte, daß man ihm nicht vorwerfen könne, er wolle Klienten sammeln, wenn der alte John schon tot war. »Ist denn keiner gekommen und hat nach ihm gesucht?«
    Mr. Lamb schaute ihn seltsam an, als hätte er noch nie daran gedacht. Er preßte seine kleinen Hände vor der Brust zusammen, schob seinen Teller zurück und schien sich wieder in Gedanken zu verlieren. »Tja«, sagte er abwesend, »ich weiß es nicht. Ist nie jemand gekommen und hat nach ihm gesucht. Er hat mir gleich erzählt, was passiert war, und ich dachte: Scheiße, ich hätte das gleiche getan, und er schien vollkommen zufrieden zu sein, daß er hierbleiben durfte und dafür mit anpackte. Er hat die Hütte gebaut, und ich hab nie nach der Polizei gefragt. Ich nehme an, sie haben ihn oben in Pontotoc gesucht, aber über das Thema hab ich mich nie so vertraulich mit ihm unterhalten.«
    »Er hat aber vier Leute umgebracht«, sagte er und versuchte, flüsternd weiter zu streiten, ohne Mrs. Lamb wieder aus der Küche zurückzuholen. »Hat er das nicht gestanden?«
    »Doch«, sagte der alte Mann ungehalten.
    »Er hätte sein Baby ja auch auf anderem Wege kriegen können«, sagte er. »Ein Gericht in Mississippi würde niemals einem Haufen Choctaws ein Baby überlassen, wenn der eine Elternteil weiß ist.«
    »Wir haben uns nicht den Kopf über irgendwelche Gerichte zerbrochen«, sagte der alte Mann und versuchte, sich im Zaum zu halten, während sich seine Wangen leicht rosa färbten.
    Vor seinem

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