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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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und er verzog den Mund schnell zu einem dunklen, verschwörerischen Gesichtsausdruck, so daß seine Augenbrauen schwer über den kleinen ausgebrannten Augen lagen. »Ich sag Ihnen mal was«, sagte Mr. Lamb und packte sein Handgelenk. Er witterte den aufdringlichen antiseptischen Geruch, der aus dem Mund des alten Mannes kam. »Ich wäre nicht gern Arzt, weil die immer soviel mit dem Tod zu tun haben«, flüsterte er, als hätte er ein Thema angeschnitten, über das nicht gesprochen werden durfte. »Ich denke, wenn  die  alt werden, dann kommen ihnen diese ganzen Todesfälle wieder hoch, und sie können an gar nichts anderes mehr denken als ans Sterben und an verrottende und auseinanderfallende Körper, so wie sie’s ihr ganzes Leben an anderen Leuten gesehen haben.« Er lächelte schlau.
    »Ja, Sir«, sagte er und wünschte, er könnte ihm sein Handgelenk wieder entreißen. Mr. Lambs Schädel war unterhalb des Kieferknochens sichtbar, und aus diesem Blickwinkel sah er aus wie ein beseeltes Skelett.
    »Mrs. Lambs Neffe, der kleine Bertrand«, sagte Mr. Lamb vertraulich und drehte sich zur Seite, so daß er zu seiner Frau hinüberschauen konnte, bevor er fortfuhr, »hatte einen Job in Washington, D.C., wo er nur Titten untersucht hat und nichts anderes, soweit ich das beurteilen kann.« Die Augen des alten Mannes bekamen einen feurigen Schimmer, und er schob sich noch näher heran, damit er ihm noch mehr antiseptischen Atem direkt ins Gesicht hauchen konnte. »Er hat in der Gesundheitsbehörde gearbeitet. Na, also das wär ’n Arztjob, den ich auch noch machen würde. Hahahaha.« Mr. Lambs Gesicht färbte sich radieschenrot, und die Adern an seinen Schläfen wurden so dick wie Wurzeln.
    Landrieu stolzierte, den Arm voller Geschirr, in seiner Schürze und mit der Kochmütze auf dem Kopf in das Zimmer, aber mit einem Blick, der Empörung über alles, was ihm vor die Augen kam, ausdrückte.
    Mrs. Lamb erspähte ihn, knipste das Radio aus und bahnte sich einen Weg zwischen den Flaschen hindurch ins Zimmer, gerade als Landrieu das Hauptgericht auf den Tisch brachte. Er rauschte zurück in die Küche und kehrte mit einem Krug Tee wieder und trat vorwurfsvoll zurück, während Mrs. Lamb den Tisch prüfte und nickte, und dann verschwand er und ließ die Vorraumtür hinter sich zuschwingen.
    »Ich und Newel gehen morgen angeln«, verkündete Mr. Lamb und schaufelte sich, so schnell, wie er den Löffel schwingen konnte, gebutterten Mais in den Mund.
    Mrs. Lamb betrachtete ihn streng, als ob sie die Tatsache betonen wollte, daß schließlich doch noch etwas gefunden worden war, was er tun könnte.
    »Ist das nicht was, Newel?« fragte der alte Mann und kaute wild.
    »Hört sich großartig an«, sagte er, da es sich besser anhörte, als den ganzen Vormittag zu streiten und dann den Rest des Tages damit zu verbringen, in der Gin Den zu schmollen, wo keiner ihn sehen konnte.
    »Gut«, jubelte Mr. Lamb, schnitt ein Stück Schinken ab und ließ es direkt in den Mais fallen. Mrs. Lamb aß ein Brötchen mit Bratfett und ein zweites mit Sirup, den sie in einer großen Pfütze auf ihren Teller gegossen und mit Butter verrührt hatte, so daß das Gemisch einen dicken gelblichen Brei ergab. Mr. Lamb barg seinen Schinken und überhäufte auch den Rest seines Tellers mit gebuttertem Mais.
    »Mrs. Lamb ißt ja nicht viel«, sagte der alte Mann kauend. »Aber sobald es hell wird, fängt sie schon mal an.«
    Mrs. Lamb stützte einen Ellbogen auf den Tisch und musterte den alten Mann, während sie kaute, mit einem Blick, als wäre er ein alter Clown, der sie nicht länger amüsierte. Was den alten Mann dazu brachte, in seinem Stuhl herumzuzappeln und seinen Blick über alle Wände schweifen zu lassen.
    Er dachte, er könnte ja einfach das Thema wechseln und den alten Mann auf andere Gedanken bringen. »Woher kommt denn der verbrannte Fleck hinter dem Haus?« Er schielte gleichzeitig zu beiden hin.
    »Ha!« johlte der alte Mann und wirkte überaus erfreut darüber, daß dieses Thema nun zur Sprache kam.
    Mrs. Lamb warf ihrem Ehemann einen giftigen Blick zu und beugte sich über ihren Teller vor, als wäre sie grimmig entschlossen, die hinterhältige Bemerkung, die sie von Mr. Lamb erwartete, zu unterbinden.
    Er dachte sofort daran, das Thema fallenzulassen und auf etwas weniger Kontroverses auszuweichen, aber irgendwie war ihm die ganze Sache aus der Hand geglitten, und so mußte er ganz einfach sitzen bleiben, während derjenige, der sie in

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