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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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der Hand hatte, beschloß, was er daraus machen wollte. Der alte Mann hatte schon etwas Merkwürdiges an sich, fand er, wie er sofort, als der verbrannte Fleck erwähnt wurde, loswieherte, als sei das Thema für Mrs. Lamb äußerst anstößig und deshalb absolut spaßig für ihn.
    Mr. Lamb preßte sich fest an die Rückenlehne, scharrte laut mit seinen Schuhen an den Tischfüßen und stemmte die Arme noch fester an die Zarge, als hätte er vor, sich mit Hilfe einer unsichtbaren Sprungfeder, die an seinem Stuhl befestigt war, auf die Tischplatte zu katapultieren. »Dieser verbrannte Fleck«, schnaubte er, » war ein Haus .« Er äugte vorsichtig zu Mrs. Lamb hinüber, und seine Augen beobachteten sie scharf. Er lockerte die Arme und sank in seinem Stuhl zurück.
    »Mein Cousin hat hier gewohnt«, sagte Mrs. Lamb hochmütig, als wäre sie unter Druck gesetzt worden, um dieses Geständnis abzulegen. Sie legte ganz vorsichtig ihre Gabel ab, schob die Hände hinter ihren Teller und betrachtete Mr. Lamb kühl.
    »Ihr Cousin John«, verkündete Mr. Lamb und lächelte schurkisch, »war ein ulkiger Schwachkopf, gelinde gesagt.« Er schnüffelte mit seiner Nase wie jemand, der versucht, ein Niesen zu unterdrücken. »Er hatte ein paar seltsame Angewohnheiten.«
    Er wünschte, irgend jemand würde ein anderes Thema aufs Tapet bringen.
    Mrs. Lamb war damit beschäftigt, Mr. Lamb ein Loch in die Stirn zu starren, aber der alte Mann schien sich nach und nach von allen äußeren Einflüssen freizumachen und lächelte und schob seine Zähne am Zahnfleisch rauf und runter.
    »Der alte John hatte so ’n kleinen Holzkahn draußen auf der Leeseite liegen – der Satansbraten hat hier fünfundvierzig Jahre gelebt«, unterbrach sich der alte Mann. »Und bevor die ganze Niggerscheiße anfing, hat er sich, wenn das Wasser niedriger stand, in sein Boot gesetzt und ist nach Mississippi getuckert und hat sich Baseball angeguckt. Die Nigger hatten ihr’n eigenen Sandplatz drüben bei Stovall. Landrieu war übrigens einer ihrer großen Stars, bis er zu scheißalt wurde.« Der alte Mann ließ seine Augen zum Küchenvorraum wandern, warf Mrs. Lamb noch einen höhnischen Blick zu und kräuselte die Oberlippe noch ein wenig mehr, während seine Wimpern flatterten. »Wie auch immer, er fuhr abends rüber und setzte sich auf die Tribüne und schrie ihnen die widerlichsten und schlimmsten Beleidigungen zu, die man sich vorstellen kann, jedem einzelnen, der auf dem Platz war. Er machte ihnen allen die Hölle heiß und war schon im ersten Inning stinkbesoffen. Und jedesmal, wenn einer von den Teufeln loslegte, um den Ball zu werfen, schrie er ›Pfuuu-iiii, du stinkst‹ und fing an, sich mit seiner kleinen Schiedsrichterkappe Luft zuzufächern, als würde irgendwas da, wo er saß, ganz übel riechen. Und manchmal mußten sie einfach aufhören, weil John da oben so ein Höllenspektakel machte. Er hatte ein Holzbein, müssen Sie wissen, und wann immer sie einen ihrer großen kräftigen Gummibäume da hochschickten, damit er ihn zum Schweigen brachte, holte er sein altes Schweinemesser raus und stieß es mitten in das Bein und grinste, als würde er so ungestüm zustechen, daß er sich genausogut selber abstechen könnte, und die Nigger hatten danach alle Schiß vor ihm. Und ich kann ihnen das auch wirklich nicht verdenken. Sie fanden jemanden, der rumlief und sich selber abstach, halt nicht so vertrauenerweckend. Sie fanden nicht, daß das so völlig normal wäre.« Mr. Lamb strahlte und fing sofort an, mit seinen Fingern zu trommeln, als hoffte er, daß ihm jemand noch so eine Frage stellen würde, auf die er eine ebenso fesselnde Antwort geben könnte.
    Mrs. Lamb erhob sich still und ging zurück in die Küche und begann, gedämpft mit Landrieu zu reden, der am nächsten Tag für sie nach Helena fahren sollte.
    »Hör’n Sie, ich erzähl’s Ihnen«, flüsterte der alte Mann, grinste ihn boshaft an, sobald Mrs. Lamb die Tür hinter sich hatte zufallen lassen, reckte sich über den Tisch vor wie ein feiger Verschwörer, grabschte nach irgendeinem Teil seiner erreichbaren Anatomie und schnappte sich sein Handgelenk, bevor er es wegziehen konnte. »Johnny Carter war ein Halbidiot«, sagte Mr. Lamb in einem Bühnenflüstern, das Mrs. Lamb gewiß noch durch zwanzig Türen hindurch hören konnte, weshalb er auf seinem Platz ziemlich nervös wurde. »Ein anderer seiner schwachsinnigen Tricks wars, in irgendeinen Laden zu gehen, einen kleinen Ochsenfrosch

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