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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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Vogellärm, aber nur das Wasser war zu hören, das in langsamen, unregelmäßigen Tropfen vom Dach lief, und irgendwo in der Ferne das Geräusch vom Zuschnappen der Klotür.
    »Verpiß dich und fang an zu arbeiten«, rief der alte Mann von den Doppeltüren aus. Sein Reißverschluß war heruntergezogen, und er hielt seine Hose an den leeren Gürtelschlaufen fest. »Wenn Sie Mr. Newel da draußen irgendwo sehen, erzählen Sie ihm, daß er sein Frühstück verpaßt hat.« Der alte Mann eilte hinaus.
    Er trat auf die Veranda hinaus, atmete den kühlen Duft des Regens ein und horchte, hörte aber nichts als das Schlagen der Klotür und das Wasser, das von den hohen Bäumen ins Gras tropfte.

4
    Um fünf Uhr fuhr er mit dem Jeep zum See und nahm das Boot zu Gaspareau hinüber. Das Licht hatte sich in Streifen ausgefächert, die sich im Dunst vor Helena aufhellten.
    Zwei von Gaspareaus Hunden kamen herbeigelaufen, standen da und blinzelten, als er das Boot festmachte und zu den Zürgelbäumen hinüberging. Sie bellten nicht, als ob sie meinten, daß jemand, der von der Insel kam, kein Grund zur Aufregung wäre, und einen Augenblick später liefen sie wieder zurück unters Haus. Er wartete auf ein Zeichen von Gaspareau, aber von ihm war nichts zu sehen oder zu hören. Mr. Lambs Continental stand da, wo er vorher gestanden hatte, und Zürgelbaumbeeren sammelten sich darauf, die der Regen hinuntergewaschen hatte. Laubheuschrecken zirpten in den Bäumen am See, und Stille lag über dem Lager und den Hütten, die sich in einem Bogen bis ins Wasser hinein erstreckten. Gaspareaus Bombe war die letzte Stelle, auf die das Sonnenlicht direkt fiel.
    Er fuhr die Traktorspur hoch und über den Damm hinüber in die feuchten Felder. Das Wasser stand unbewegt in den Furchen und schimmerte in schwarz-weißen Lichtreflexen wie silberne Pfeile, die das Himmelsgewölbe spiegelten.
    Er hielt bei Goodenough’s. Mrs. Goodenough stand hinter dem Postschalter, trug eine grüne Sonnenblende und beobachtete, wie die Sonne langsam hinterm Windschutz verschwand und der Himmel sich am Horizont purpurrot färbte.
    Er zwängte sich hinter die Backwaren, holte das Blatt aus seinem Schuh und wählte.
    »Ich bin’s«, sagte er und hielt den Hörer dicht an seinen Körper, damit niemand mithören konnte.
    »Du Scheißkerl«, sagte sie. Ihre Stimme war leise.
    »Was ist denn los?«
    »Warum bist du nicht gekommen?«
    »Ich hab’s dir doch gesagt«, flüsterte er und warf einen verstohlenen Blick den Gang hinunter auf Mrs. Goodenough, die nun Briefe sortierte und jeden Umschlag genau von allen Seiten betrachtete, bevor sie ihn in einen Segeltuchsack auf dem Tresen steckte.
    »Ich bin schon unterwegs«, sagte er und hielt den Hörer vor seinen Mund.
    In der Leitung entstand ein langes Schweigen. »In Ordnung«, sagte sie.
    »Willst du denn nicht, daß ich komme?«
    »Doch«, sagte sie kalt. » Gestern  abend wollte ich, daß du kommst.«
    »Ich komme heute abend«, sagte er.
    »In Ordnung.«
    »Wo kann ich dich abholen?« fragte er und hielt den Hörer vor seine Brust.
    »Hol mich hier ab«, sagte sie nonchalant.
    »Wenn mich irgend jemand sieht, bin ich weg vom Fenster.«
    »Dann hol mich hinter der Post ab.«
    »Sieht dich denn da keiner?«
    »Nein. Aber es ist völlig egal, wenn’s einer tut. Ich muß es niemandem recht machen.«
    »Und wo ist  er ?«
    »Was glaubst du wohl, wo er ist? Er spielt Baseball in Humnoke. W. hat aus sich ’nen Baseball gemacht. Wo bist du?«
    »In Elaine.«
    »Da unten gibt’s bloß Schlangen und Moskitos, richtig? Allzuoft bin ich allerdings nicht da unten.«
    »Ich komme gleich.«
    »Nicht am Telefon, das tust du nicht«, sagte sie. »Du hast mir gesagt, ich dürfte das nicht, also darfst du’s auch nicht.«
    Er schaute zu Mrs. Goodenoughs hinüber, die nun wieder auf den Sonnenuntergang starrte. Er konnte die sympathische Linie ihrer Brauen hinter der Sonnenblende sehen, die sich gegen das Fensterglas abzeichnete. Er war ungeheuer aufgewühlt, und er schien in eine Einsamkeit gehüllt zu sein, die nichts auf der Welt je stören könnte. Sie wandte ihren Kopf, sah ihn an und lächelte.
    »Wo fahren wir hin?« fragte Beuna laut.
    »Wo kein anderer ist«, sagte er und versuchte, nicht zu Mrs. Goodenough hinzuschauen.
    »Wollen wir uns ein Motel nehmen?«
    »Komm du erst mal zur Post«, sagte er.
    Sie legte auf.
    Er ging zur Tür und war verärgert. Mrs. Goodenough lächelte und schob eine Haarlocke unter das Gummiband

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