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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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nichts mehr abzufertigen gab.
    Er hatte am Morgen auf der Bank am Haus des Rangiermeisters gewartet, bis die Ablösung kam und Wheeler mit seinem Hut in der Hand und einer St. Louis Cardinals-Kappe auf dem Kopf nach draußen kam und in das stahlgraue Licht blinzelte. Er stand schnell auf und schaute Wheeler an, der ihn, trotz all der Stunden, die sie gemeinsam damit verbracht hatten, blinkenden Lämpchen auf der dunklen, schweigenden Tafel zuzuschauen, nie gesehen hatte, und fragte laut: »Wie schaffen Sie’s bloß, die Züge die ganze Nacht in dem winzigen Zimmer zu rangieren, ohne daß sie irgendwann alle zusammenstoßen?«
    Und Wheeler schaute ihn an, als hätte er sich diese Frage selbst schon hundertmal gestellt und wäre nun nicht erstaunt, sie von jemand anderem zu hören. »Ich denk nur noch Mond«, sagte er gelassen, nahm seine Cardinals-Kappe ab und fuhr sich durchs dünne, spärliche Haar. »Wenn man lange genug in den Mond starrt, sieht man nur noch den Mond, und man will nur noch den Mond sehen. Ich komme schon klar.«
    Er saß im Pickup und starrte auf das Haus des Rangiermeisters im Rückspiegel, ein gelbes Licht über den schmalen Fensterflügeln, und auf die bemalte Fensterfront. Der Mond war aufgegangen, stand über dem Postamt und wurde wieder von einem Dunstschleier verborgen. Jetzt war es soweit, dachte er, die Zeit war gekommen, es gab keinen Aufschub mehr, die Stunde der Wahrheit war da, und er wollte keine halben Sachen, denn halbe Sachen waren so gut wie gar nichts.
    Er gab Gas, bog in den schmalen Lastwagenkorridor zwischen dem Postamt und dem Lager des Baumwollmaklers und fuhr ihn in der falschen Richtung hinunter. Am Ende ging die Straße linker Hand direkt in die Zufahrt hinterm Postamt über. Er streifte mit seinem Pickup beinahe die Hausecke und machte einen Satz auf die Zufahrt, die Räder griffen nicht richtig, und er rutschte auf die hintere Hauswand zu. Er kämpfte mit dem Steuerrad und war überrascht, daß er auf so kleinem Raum eine solche Geschwindigkeit entwickeln konnte, und dann stand plötzlich Beuna im Scheinwerferlicht, und er trat auf die Bremse, damit er sie nicht einfach überfuhr und auf die Straße hinausrollte.
    Beuna zuckte nicht ein einziges Mal. Als der Pickup mit Vollgas an der hinteren Hausecke vorbeischoß, schlitterte und in zwei Richtungen gleichzeitig zu wollen schien, stand sie bloß ungerührt im Scheinwerferlicht, die eine Hüfte etwas höhergeschoben als die andere, und lächelte, als ob sie von einer Macht besessen wäre, die auch Pickups nicht aufhalten konnten.
    Der Pickup hielt, er schaute sie flüchtig durch die von Fliegendreck übersäte Scheibe an, und sein Herz machte Sprünge, wie eine Maschine, die vom Sockel gefallen war. Sie trug winzige Frotteeshorts, die in ihrem Schritt einschnitten, so daß ihre Schenkel praller wirkten, als sie sein konnten, und es schnürte ihm die Kehle ein, er fühlte sich wie gelähmt, als wollte er gleichzeitig im Pickup sein und weit entfernt an einem ganz anderen Ort. Sie hatte ihr Haar zu kleinen Bleistiftlöckchen aufgedreht, die ihren Kopf rahmten und ihr Gesicht rund erscheinen ließen. Sie drehte sich ein wenig im Licht und lächelte ihn an oder dorthin, wo sie ihn im Pickup vermutete, ihre Augen rundeten sich, und sie knöpfte ihre kleine ärmellose Bluse auf, bis sie sich öffnete und ein gutes Stück ihres Busens im Ausschnitt auftauchte.
    Er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen, und die einzige Bewegung, zu der er fähig war, war, auf den Hebel fürs Fernlicht zu treten und sie in einen jähen Schauer knisternden Scheinwerferlichts zu tauchen. Ihre Gesichtszüge fielen sofort zusammen und verzogen sich zu einem bösen Ausdruck. Ihre Hüften knickten ein, als versuchte sie, aus dem Licht zu entkommen, sie hielt ihren nackten Arm vor die Augen hoch, so daß beide Brüste aus ihrer Bluse hervorkullerten und, da sie sich vorbeugte, vorm Bund ihrer Shorts schaukelten.
    »Verdammt!« schrie sie und duckte sich tiefer unter ihren Arm. Sie krümmte sich und versuchte, sich mit beiden Armen vor dem Licht zu schützen. Er versuchte, sich zu rühren, aber er konnte seine Arme nicht bewegen. »Robard!« kreischte sie.
    Plötzlich trat er mit der Hacke gegen den Lichthebel, sank in den Sitz zurück und hörte, wie sein Name in der Dunkelheit verklang.
    Die Zufahrt war verschwunden. Eine Pause trat ein, während der er gar nichts sehen konnte, dann tauchte Beunas Gesicht am Fenster auf und starrte ihn durch

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