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Ein Stueck vom Himmel

Ein Stueck vom Himmel

Titel: Ein Stueck vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Lukan
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geschah dann schon hoch oben in der Wand ...
    Es geschah auf einem winzigen Rasenpolster. Der Rasenpolster war mein Stand. Einmal mit dem rechten Bein, dann wieder mit dem linken Bein balancierte ich auf dem Rasenpolster, während ich durch einen Haken Edi nachsicherte, der zehn Meter unter mir werkte.
    »Bist du schon dort, wo alles glatt wird?«, fragte ich Edi.
    Jawohl, Edi war dort, wo alles glatt wurde. Vorher wollte er noch ein wenig verschnaufen.
    Diese Pause nützte auch ich zum Pinkeln.
    Gleich darauf hatte Edi genügend verschnauft. Die Wandstelle war wirklich glatt und so nahm das Sicherungsseil meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Ich sah also nicht, wie Edi gierig die Hände nach dem Rasenplatz ausstreckte, auf dem ich stand. Ich hörte ihn nur aus durstiger Kehle krächzen: »Charly ... da gibt’s nasses Gras!« ... und sah mit Entsetzen, wie Edi eine Extraportion von dem nassen Gras in seinem Mund verschwinden ließ. Ich wartete, bis Edi für beide Beine etwas zum Stehen hatte. Dann zog ich sein Sicherungsseil straff und klärte ihn schonend auf, warum das Gras nass war.
    Das ganz große Erlebnis an der Schüsselkarspitze war damals für mich der Herzog-Fiechtl-Weg aus dem Jahre 1913.
    Die Südwand: Je näher man ihr kommt, desto abenteuerlicher wird ihr Anblick. Das ist ein Übereinander und Nebeneinander von glatten Platten, giftgelben lotrechten Wandstellen, roten Abbrüchen, dunklen Felsdächern, eine ungegliederte Wand, in der es keinen vorgegebenen Weg gibt. Der von dem Münchner Otto Herzog und dem Tiroler Hans Fiechtl gefundene Durchstieg war eine Meisterleistung im Wegsuchen. Markante Kletterstellen in der Wand sind die glatte Plattenverschneidung, das Achtmeterwandl und der Pendelquergang. Von den Erstbegehern der Schüsselkarspitze-Südwand wurde ein solcher erstmals praktiziert: Als mächtige Überhänge den Weiterweg nach oben sperrten, schlugen sie einen Ringhaken, zogen ein Seil durch und pendelten nach links zu leichter erkletterbaren Felsen ... die aber nicht leicht zu erreichen sind! Denn im Pendelflug über der Tiefe muss mit der linken Hand flink ein Griff erhascht werden, um auf einer schmalen Leiste Stand finden zu können. Wer zu hoch oder zu tief pendelt und den verflixten Griff verfehlt, muss zu einem Neustart ansetzen. Der Pendelquergang – ein klettertechnisches Taschenspielerkunststück. So ist der Pendelquergang vom alten Herzog-Fiechtl-Weg in der Schüsselkarspitze-Südwand auch eine Kletterstelle geworden, die ich bis zum heutigen Tag nicht vergessen habe. Wenn manchmal der Alltag zu alltäglich geworden ist und ich ein bisserl Hirnklettern betreibe, dann schwinge ich mich oft am Pendelquergang der Schüsselkarwand hinaus in die Lüfte und erwische – wunderbarerweise – gleich beim ersten Pendler immer den verflixten Griff ...
    Ein »echter Bergsteiger« am Salbitschijen
    Es war der Eiskletterer Erich Vanis, der uns Wiener Felskletterern vom Salbitschijen-Südgrat in den Urner Alpen der Schweiz erzählte. »Ein Kletterhimmel!«, hatte er gesagt – der Erich, der nur dann im Fels kletterte, wenn weit und breit keine Eiswand in der Nähe war.
    Keiner von uns hatte vorher von diesem Zapfen etwas gehört. Aber wenn unser Eismann so begeistert von ihm schwärmte, musste er schon etwas Besonderes sein. Und das war er dann auch. Bevor wir noch den Salbitschijen gesehen hatten, sahen wir in der Salbithütte ein großes Foto von einer dünnen Felsnadel, auf der ein Mensch stand. Wie ist der Kerl auf diesen Zacken hinaufgekommen?
    »Da müssen auch Sie morgen hinauf, wenn Sie den Salbitschijen machen wollen. Das ist sein Gipfel!«, sagte der Hüttenwirt. »Natürlich gibt es auch Kletterer, die nach dem Südgrat auf die Erkletterung der Gipfelnadel verzichten. Aber das sind keine echten Bergsteiger!«
    »I bin auch keiner«, murmelte Schwanda. »Also muss i net auf dieses Stuhlzapferl aufi!«
    Der »echte Bergsteiger« schritt bis in jüngstvergangene Zeit als aufrechte Lichtgestalt durch die Bergwelt. Er kannte alles und konnte alles. Er wusste, was er machen sollte oder machen musste, und selbstverständlich auch, was er nicht machen durfte. Schwanda sagte einmal, dass er mit einem solchen echten Bergsteiger nicht einmal auf den Wiener Kahlenberg hinaufspazieren wolle.
    Ich war von Anfang an kein echter Bergsteiger. Nach meinem ersten Klettersommer im Jahre 1940 kam der Winter. Alle meine neuen Bergspezln holten ihre Ski aus dem Keller. Ich nicht. Ich war nie ein

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