Ein Sturer Hund
zuging.
»Natürlich. Sie haben recht. Die Zuseher würden sich auf das falsche Gesicht konzentrieren.« Rosenblüt machte kehrt und trat vor Moira Balcon hin, die gegen einen Tisch gelehnt stand und sich nun unweigerlich aufrichtete.
»Tun Sie das weg«, sagte Rosenblüt. Es war keine Bitte und es war kein Befehl. Es mußte einfach getan werden. Und wer eignete sich besser, ein Abbild verschwinden zu lassen, als die Person, die es geschaffen hatte? Vielleicht aber war dies auch nur Rosenblüts billige Revanche dafür, daß er richtig Schiß gehabt hatte, solange die Messerklinge an seinem Hals gewesen war.
Moira Balcon schien völlig willenlos, als sie jetzt nach einem Bausch Watte griff, ihn mit einer Flüssigkeit besprühte und die Zeichnung von Rosenblüts Wange rieb. Niemand von den Anwesenden kam dabei auf die Idee, auf sie acht zu geben oder zumindest das Skalpell aus dem Koffer zu ziehen und zu verwahren. Alles blieb, wo es war. Denn es schien völlig eindeutig, daß Moira Balcon ihre Gefährlichkeit eingebüßt hatte. Daß das Mörderische an ihr schlichtweg verblüht war. Sehr viel rascher, als je ein Aufzug einen Turm würde hinauffahren können. Und das alles nur, weil Moira Balcon für einen Moment gezögert und im Moment des Zögerns festgestellt hatte, es werde ständig zuviel geredet.
Etwas derartiges sprach man nicht aus, sondern dachte es bloß und handelte danach. Indem man es aber artikulierte, es als einen Vorwurf nach außen trug, war man bereits selbst ein Teil des Problems. Eines Problems, dessen parodistische Ausformung in vielen Agentenfilmen zum Ausdruck kam. Vor allem in James-Bond-Produktionen, in denen die Bösewichte ewig lange Reden hielten, hochkomplizierte Tötungsarten entwarfen und selbige wortreich beschrieben. So, als könnte man allein durch Worte einen britischen Geheimagenten zersägen, als zertrümmere allein die Beschreibung des Todes das menschliche Herz einer Doppelnull. Sie reden und zelebrieren und phantasieren, anstatt einfach die nächstbeste Kugel aus einer ihrer Pistolen- und Gewehrläufe auf diesen grinsenden Menschen abzufeuern. Aber nein.
Natürlich hatte Moira Balcon keine ewig langen Reden geschwungen, und doch hatte sie ihr Mundwerk zu lange benutzt. Und auch noch das falsche gesagt. Vorbei. Ende. Eine große Sehnsucht nach Zweiffelsknot packte sie. Eine Sehnsucht nach Dr. Callenbach. (Drei Menschen hatte Moira Balcon nicht getötet, obwohl sie Porträts von ihnen angefertigt hatte. Rosenblüt, weil sie an sich selbst gescheitert war. Cheng, da sie mit der Zeichnung, die sie von ihm angefertigt hatte, nicht wirklich zufrieden gewesen war und gemeint hatte, ein mißglücktes Porträt sei Strafe genug. Und Dr. Callenbach, in den sie sich verliebt hatte, wobei zu sagen ist, daß der Arzt diesbezüglich ohne Ahnung war und ihn auch kaum eine Schuld traf. Es war nun mal passiert und Moira Balcon verrückt genug, einen Menschen, den sie liebte, nie und nimmer umzubringen. Trotz gelungenem Porträt.)
»Fertig«, sagte sie, nachdem Rosenblüts Wange vollkommen gereinigt war. Ein roter Fleck zeugte vom Verschwinden der Kunst.
»Jetzt aber wirklich«, meinte Rosenblüt. Und als er an Dr. Thiel vorbeikam: »Bringen Sie Frau Balcon in mein Büro. Sofort. Und ich hoffe, Sie geben auf die Dame genausogut acht wie auf unseren Herrn Cheng.«
»Ich dachte, das sei mein Privatvergnügen gewesen?«
»Herr Cheng ja. Frau Balcon nein«, bestimmte Rosenblüt, griff sich an den Hals, tippte gegen das Pflaster und ging durch den Vorhang hinaus in das zur Fernsehbühne umgewandelte Café.
»Beeilen wir uns«, bestimmte Dr. Thiel. Es war nur allzu wahrscheinlich, daß sich irgendwo in diesem Turm eine oder mehrere Personen befanden, deren Auftrag darin bestand, Moira Balcon nach erfolgter Durchtrennung von Rosenblüts Schädel zu eliminieren. Um solcherart ein merkwürdiges Chaos zu hinterlassen, welches auf alles mögliche, aber sicher nicht auf die Machinationen eines deutschen und eines britischen Nachrichtendienstes hingewiesen hätte. Nun, Rosenblüts Kopf war noch immer dort, wo er hingehörte. Was aber nicht bedeuten mußte, daß die Leute, die auf Moira angesetzt waren, nicht in Erscheinung treten würden. Im Gegenteil.
In erster Linie wollte Thiel aus dem Bereich der Fernsehproduktion gelangen, um nicht das Leben Unbeteiligter zu gefährden. Zu Mortensen sagte er: »Sie bleiben hier. Hier in dieser Etage. Mischen Sie sich unter die Fernsehleute. Bleiben Sie in
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