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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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›informativen Abfallhaufen des Mörders‹ bezeichnen möchte.«
    »Soll das bedeuten, daß die Verbrechen in Stuttgart und Heidelberg ohne Zweifel auf das Konto ein und derselben Person gehen?«
    »Das wäre zuviel gesagt. Aber es ist so, daß die beiden Abfallhaufen eine große Ähnlichkeit aufweisen. Sie sind ähnlicher, als es die beiden Morde sind.«
    »Worin könnte der Grund bestehen, daß der Kopf des Toten in seinem Aquarium gefunden wurde? Das ist doch eine ziemlich bizarre Verfahrensweise.«
    »Bizarr«, sagte Rosenblüt, »ist es bereits, einen Hals zu durchschneiden. Aber ich verstehe natürlich, was Sie meinen. Leider kann ich Ihnen keine definitive Antwort geben. Das Aquarium könnte ein symbolischer Hinweis sein. Das wäre dann die populärste Version. Vielleicht aber hat die Tatperson einfach nur einen Platz gesucht, um den Kopf loszuwerden. Manche Menschen tun sich schwer, einen abgetrennten Kopf einfach auf den Boden oder das Bett fallenzulassen.«
    »Der Körper des Toten wurde aber sehr wohl im Bett aufgefunden. Gibt es Hinweise auf einen sexuellen Zusammenhang?«
    »Gibt es den nicht immer?«
    Schnitt!
    Der Schnitt sollte wohl das Vielsagende der Äußerung betonen, doch Mortensen war überzeugt, daß diese Unterbrechung viel eher aus der Sprachlosigkeit des Interviewers heraus entstanden war. Von Kommissar Rosenblüt hingegen war Mortensen beeindruckt. Rosenblüt redete anders, als man es von einem Polizisten gewohnt war. Es gehörte eine beträchtliche Ironie dazu, in einer solchen Geschichte einen Vergleich zu Weihnachtsbäumen herzustellen. Aber so nett fand Mortensen diesen Rosenblüt nun auch wieder nicht, als daß er jetzt zum Telefon gegriffen und die Polizei angerufen hätte.
    Zudem war der Bericht noch nicht zu Ende. Fotografien des Ermordeten kamen ins Bild: Thomas Marlock nach dem Abitur, im Kreis seiner Firmenkollegen, beim Grillen, beim Fußball, immer von Männern umgeben, die nun schwarze Balken vor den Gesichtern trugen. Den Fotos nach zu urteilen, schienen Frauen in Marlocks Leben nicht existiert zu haben.
    »Wie lächerlich«, dachte sich Mortensen, dem natürlich die Zielrichtung dieses Berichts nicht entgangen war. Auch wenn er wenig über Marlock wußte, konnte er wenigstens eines mit Sicherheit sagen: daß nämlich der Mörder Marlocks kein Mann gewesen war. Auch kein Transvestit. Einen solchen hätte Mortensen erkannt gehabt. Kein Transvestit war ernsthaft bemüht, für eine Frau gehalten zu werden.
    Nicht minder eindeutig war der Umstand, daß sich unter den Personen, die nun von der Kamera des Fernsehsenders ins Visier genommen wurden, jene Kopftuchträgerin befand, der Mortensen im Treppenhaus begegnet war. Sie war eingezwängt in einen Pulk von Jugendlichen, die sich soeben durch die Hauseinfahrt bewegten. Beim Anblick der Fernsehleute fingen die Halbwüchsigen an, begeistert zu gestikulieren, während hingegen die Frau völlig reserviert blieb. Für Mortensen war es an der Zeit, auch ihr einen Namen zu geben. Er nannte sie – der Farbe ihres Kopftuches wegen – »die Malvenfarbene« (eine Bezeichnung, die sie selbst als hirnrissig empfunden hätte, während übrigens die Mörderin mit der Bezeichnung »Sandfarbene« durchaus einverstanden gewesen wäre).
    Es war nicht so, daß die Malvenfarbene wegsah oder versuchte, ihr Gesicht zu bedecken. Vielmehr blickte sie in die Kamera und damit auf den Zuschauer, als betrachte sie eine kleine Mißbildung, etwa das verkrüppelte Bein einer Taube oder auch nur einen Baum ohne Äste. Ihr Blick war dabei nicht von Ekel erfüllt, sondern auf eine mitleidige Weise ablehnend. Jedenfalls war offensichtlich, daß diese Frau nicht bereit sein würde, irgendeine Frage zu beantworten. Statt dessen dirigierte sie die Schar von Jugendlichen an den Fernsehleuten vorbei ins Haus. Weshalb der Kameramann so tat, als diene seine Aufnahme bloß dazu, eine Impression von der Umgebung des Tatorts einzufangen. Ein adrettes Hinterhofmilieu, das so gar nicht zu der rätselhaft-anrüchigen Art des Verbrechens passen wollte.
    Erneut trat der Reporter vor die Kamera, um sich noch einmal direkt an sein Publikum zu wenden: »Die Frage bleibt: Wer hat Thomas Marlock ermordet? Einen Mann, der bei einer der renommiertesten Softwarefirmen unseres Landes beschäftigt war. Jung, gutaussehend, ein unauffälliges, ja geradezu seltsam unauffälliges Leben führend. Warum mußte er sterben? Hat hier jemand eine Barriere überschritten, um seine krankhaften

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