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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Phantasien auszuleben? Oder steckt dahinter doch viel eher ein Verbrechen, dessen Ursachen im Berufsleben des Ermordeten zu suchen sind? Wir werden weiter berichten. Immer aktuell. Immer inmitten des Geschehens – und ich bin Adrian Frank.«
    Mortensen drehte den Ton leiser. Dann ging er hinüber in die Küche, öffnete den Kühlschrank und betrachtete eine Weile die saubere, erleuchtete, eisige Leere. Nachdem er lange genug in die bläuliche Öde gestiert hatte, die an eine dieser trostlosen Antarktis-Kulissen in Tiergärten erinnerte, schloß er die Tür und holte aus seiner Tasche ein paar Kekse, die er rasch verschlang. So weit gesättigt, entkorkte er eine weitere Flasche Wein.
    Er fühlte sich erleichtert, da die Malvenfarbene augenscheinlich wenig Interesse hatte, irgendwelchen Medien von ihrem nächtlichen Erlebnis zu berichten. Und aus ihrem abschätzigen Blick meinte er auch herausgelesen zu haben, daß sie ebensowenig daran dachte, sich mit ihrem Wissen an die Polizei zu wenden. Nicht aus Furcht vor Schwierigkeiten, sondern … nun, weil es ihrer distanzierten Art entsprach. Mag sein, daß sich Moritz Mortensen einiges einzureden versuchte, aber er hatte nun mal das Gefühl, daß die Malvenfarbene ihr Kopftuch viel weniger der religiösen oder traditionellen Bedeutung wegen trug, sondern vor allem im Sinn einer rein privaten Vorkehrung. Das Kopftuch als einen Helm gegen die Umwelt, als einen Schutz gegen den Regen, die Sonne, nicht weniger als gegen die Menschen, die der Malvenfarbenen mit ihren Blicken und Ansprüchen zu nahe kamen.
    Das war nun eine ziemliche gewagte Interpretation, wenn man bedenkt, wie wenig Mortensen von dieser Frau wußte. Aber er blieb dabei, war überzeugt, daß die Malvenfarbene sich aus dieser ganzen Angelegenheit heraushalten würde, entsprechend der Einstellung, daß ein Mord eine Privatangelegenheit darstelle, die niemanden außer den Täter und das Opfer etwas angehe.
    Mortensen bewegte sich zurück ins Fernsehzimmer, wo er die gesamte Nacht verbrachte, Wein trinkend und sich Filme ansehend. Dabei nickte er des öfteren ein. So war das immer, wenn er sich in der Roseggervilla befand. Er lebte dann nicht anders als eine Katze, ohne daß ihm dies bewußt gewesen wäre. Er schlief nicht in einem großen Stück, sondern in Intervallen, die sich auch über den Tag erstreckten. Und diesmal kam hinzu, daß er – auch während er vor sich hin döste – in einer katzenhaften Weise lauerte . Obgleich er nicht ernsthaft befürchtete, ebenfalls gleich seinen ganzen Kopf zu verlieren, lebte er nun doch zum ersten Mal im Bewußtsein der Möglichkeit, getötet zu werden.
    Das war tatsächlich eine völlig neue Vorstellung. Denn obgleich er jedermann einen Mord zutraute, wäre ihm niemals der Gedanke gekommen, selbst einmal in die verbrecherische Strömung einer anderen Person hineingerissen zu werden. Nicht einer wie er. Nicht einer, an dem die Abenteuerlichkeiten menschlicher Existenz so ziemlich vorbeigelaufen waren. Doch nun hatte auch er sein »Abenteuer« und verhielt sich folglich in der Art einer Katze, die ihr großes Pensum an Schlaf mit ebenso großer Wachsamkeit paart. Und darin mag wohl auch der Grund gelegen haben, daß es Mortensen diesmal weit weniger auf die Nerven ging, wenn die gute April es sich auf seiner Brust, seinem Bauch, zwischen den Beinen oder in seiner Armbeuge gemütlich machte. Nur als sie versuchte, ihren Körper über seinen Hals zu legen, wehrte er sich. Ansonsten verhielt er sich gnädig. Denn in Aprils Wachsamkeit bestand gewissermaßen sein Vorbild. Wenn die Katze nicht versagte, würde auch er es nicht tun.

Der späte Charme der Detektive
    In der Zeitung, die Mortensen während seines vormittäglichen Frühstücks durchsah, wurde in ausgesprochen sachlicher Weise über den Mord informiert. Der Verfasser des Berichts bewegte sich ganz auf Kommissar Rosenblüts Linie und betonte den Verdacht, der Stuttgarter Kopf und der Heidelberger Kopf könnten auf denselben Täter zurückzuführen sein. Daß Thomas Marlock für ein bedeutendes Unternehmen einer Zukunftsbranche tätig gewesen war, blieb ebenso unerwähnt wie der Vorwurf gegen den Ermordeten, zu wenige oder gar keine Damenbesuche empfangen zu haben. Und noch immer schien nicht der geringste Hinweis auf die Person des Kopfabschneiders zu bestehen. Dies allerdings sollte sich noch am selben Tag ändern.
    Die gesamte Zeit bis zum Abend hin verbrachte Mortensen in der Bibliothek, die im oberen Stockwerk

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