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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Gelöstheit, welche auf eine erfolgreiche Jagd folgt. Geradeso, als hätte er persönlich die Verhaftung vorgenommen.
    »Dramatische Entwicklung im Fall des ermordeten und geköpften Programmierers«, begann er seine Rede. »Hinter mir sehen Sie das Landeskriminalamt. In diesem Gebäude befindet sich seit Stunden eine verhaftete Person, die von Kommissar Rosenblüt und seinen Mitarbeitern einer intensiven Befragung unterzogen wird. Dieser Mann, dessen Name uns bereits bekannt ist, den wir jedoch aus Rücksicht auf seine Familie … dieser Mann ist also dringend tatverdächtig, Thomas Marlock ermordet zu haben. Es handelt sich dabei um einen Arbeitskollegen des Ermordeten, einen fünfundzwanzigjährigen geborenen Mannheimer, der – und das ist einer der vielen springenden Punkte – sich bis vor zwei Jahren seines Studiums wegen in Heidelberg aufgehalten hat. Offensichtlich gibt es auch im aktuellen Fall eindeutige Hinweise, die das Verhältnis von Täter und Opfer als intensiv und tiefgehend erscheinen lassen. Eine fatale Verbindung. Es ist sicher zu früh, die Vorgeschichte dieses Gewaltverbrechens in einem erotischen Zusammenhang zu sehen, aber doch scheint einiges darauf hinzudeuten, daß …«
    Offensichtlich hielt es der Fernsehsender für keineswegs zu früh, jetzt eine Fotografie des Tatverdächtigen einzublenden. Man sah das Antlitz eines braunhaarigen jungen Mannes, dessen einzige Auffälligkeit in der leichten Übergröße seines Kinns bestand. Ein Kinn, das dem restlichen Gesicht einen winzigen Schritt voraus schien, gewissermaßen in der Zukunft stand. Mit oder ohne Kinn, dem Gesicht fehlte jede Spur von Zweifel oder Verzweiflung. Kaum anzunehmen also, daß dieses Foto in den letzten Stunden entstanden war.
    Mortensen hatte ihn sofort erkannt: den Silbergrauen. Und ausgerechnet den hielt man also für den Mörder Marlocks. Und auch noch für seinen ehemaligen Liebhaber.
    »Blödsinn, Unfug!« schrie Mortensen. Er wußte, warum. Immerhin hatte er an dem besagten Abend in Tilanders Bar die beiden Männer lange genug beobachtet, um sich absolut sicher zu sein, daß Marlock und der Silbergraue nie und nimmer ein Pärchen gewesen waren. Die Art, wie der Silbergraue über polnische Nutten gesprochen hatte, war von so hingebungsvoller Verachtung gewesen, daß allein die Mühe, die eine solche Hingabe bedeutete, den energischen Hetero verriet. Keine Bewegung, kein Griff, keine Formulierung, auch nichts Verstohlenes, Verschlüsseltes hatten darauf hingewiesen, daß etwas diese beiden Männer verband, das über eine Feierabendfreundschaft hinausgegangen wäre. Und schon gar nicht war es der Silbergraue gewesen, der mit Marlock in dessen Schlafzimmer verschwunden war.
    »Was soll das?« fragte Mortensen laut. Und gab sich auch gleich selbst die Antwort: »Mir scheint, die Herren Polizisten versuchen, sich einen Mörder zu backen.«
    Auf dem Bildschirm war nun zu erkennen, wie aus dem Landeskriminalamt ein Mann trat und die Stufen hinabstieg. Trotz der augenscheinlichen Kälte war er ohne Hut und Mantel. Er wirkte erhitzt, unzufrieden und beleidigt. Ganz anders, als man ihn gewohnt war, den telegenen Kriminalisten Rosenblüt.
    Eine Schar von Reportern hatte sich um ihn herum versammelt. Die Mikrophone waren wie mächtig geschwollene Finger auf seinen Körper gerichtet. Adrian Frank und die anderen sprachen durcheinander. Was dennoch geordnet wirkte, gleich einer oft geübten Praxis: diese ganze Aufgeregtheit.
    Rosenblüt spielte mit. Er hob seine Hände, mit denen er eine dämpfende Geste vollzog, während er gleichzeitig mit kräftiger Stimme forderte: »Hören Sie mir bitte zu.«
    Das Geschrei zerbrach zu einem Gemurmel, verebbte schließlich ganz. Kommissar Rosenblüt stopfte seine Hände in die Taschen seines Sakkos, schwenkte seinen Blick über den Kreis der Journalisten und gab seine Erklärung ab: »Ich darf Ihnen sagen, daß die Indizien, die den Verdächtigen belasten, erdrückend sind. Da wir uns allerdings noch mitten in einer Untersuchung befinden, möchte ich den Verhafteten als Herrn F. bezeichnen. – Wenn Ihnen das recht ist?«
    Rosenblüt sprach mit den Journalisten wie mit Leuten, die man nur auf die allerzarteste Weise behandeln durfte. Verhielt sich also völlig anders als etwa Politiker oder Fußballer, die sich den Medienvertretern gegenüber gerne respektlos, ja, brutal gaben. Rosenblüt verkörperte den »neuen« Polizisten. Souverän, ohne in die Gestik und Sprache eines Gerichtsvollziehers

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