Ein Sturer Hund
glaube dennoch, daß Sie der Richtige sind.«
»Das freut mich durchaus, Herr Mortensen. Ich bekomme zu selten einen Auftrag, um nicht davon angetan zu sein, wenn jemand an meine Fähigkeiten glaubt. Wenngleich ich fürchte, daß Ihr Zutrauen vor allem auf der eigenen Verzweiflung beruht.«
»Wäre ich nicht verzweifelt, würde ich wohl kaum einen Detektiv aufsuchen.«
»Da haben Sie auch wieder recht. Sehen wir uns also die praktische Seite an: Sie, Herr Mortensen, möchten, daß ich diese Frau finde, die Sie für die Mörderin halten.«
»Sie ist es. Hundertprozentig.«
»Soweit ich verstanden habe, konnten Sie den eigentlichen Mord gar nicht beobachten.«
»Da war sonst niemand, glauben Sie mir. Ich sah Marlocks Kopf durchs Zimmer fliegen und im Aquarium landen, und ich sah, wie die gute Dame, blutverschmiert, aber seelenruhig, die Fische fütterte. Alleine.«
»Also gut. Gehen wir davon aus, daß ich die nötigen Beweise zusammenkratzen kann. Zumindest so viele, um diesen Mike zu entlasten. Wenn ich damit bei Rosenblüt auftauche, wird der sicher wissen wollen, warum ich das tue. Für wen ich arbeite.«
»Verweisen Sie auf Ihr Beichtgeheimnis.«
»Wie? Sie denken, das funktioniert?«
»Auch dafür bezahle ich. Damit es funktioniert.«
»Gut, dann reden wir übers Geld. Ich werde genau eine Woche an dem Fall arbeiten. Nicht länger. Man muß Grenzen ziehen, den Dingen einen Rahmen verpassen. Alles andere wäre unlauter. Wenn ich nicht imstande bin, Ihnen nach einer Woche ein befriedigendes Ergebnis vorzulegen, dann auch nach zwei Wochen nicht. So wenig wie die Zeit Wunden heilt oder Arme nachwachsen läßt, so wenig löst sich mit der Zeit das Unlösbare. Eine Woche also, in der ich mich allein um Sie und Ihr Problem kümmern werde. Das kostet Sie zweitausend Euro. Dafür werden Sie auch nie das Wort Spesen von mir hören. Nicht einmal das Wort Erfolgsprämie. Erfolg ist so selbstverständlich wie Mißerfolg. Und eine Woche bleibt immer gleich lang.«
»Es wäre mir aber wichtig, daß Sie noch heute beginnen, und nicht erst nächsten Montag.«
»Kein Problem. Sie sind der Kunde. Also bestimmen Sie auch, wann eine Woche anfängt.«
»Zweitausend ist nicht unbedingt billig.«
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte Cheng. »Ich bin wie ein Maler, der sich die eigenen Bilder nicht leisten könnte.«
»Ich hoffe, daß Sie gut malen.«
»Ein bißchen mitmalen werden Sie trotzdem müssen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Daß wir beide heute abend gemeinsam in Tilanders Bar gehen.«
»Was erhoffen Sie sich davon?«
»Es ist ein Anfang. Und sollten wir auf die Frau treffen, die Sie für die Mörderin halten, so werden Sie es sein, der sie sofort erkennt. Nicht ich, dessen Bild von dieser Frau bloß aus einer Beschreibung stammt.«
»Finden Sie meine Schilderung denn so mißlungen?« fragte Mortensen mit beleidigtem Unterton.
»Um ehrlich zu sein«, sagte Cheng, »ich halte ›slawisch‹ und ›ovalgesichtig‹ und ›sportlich‹ nicht wirklich für prägnant. Noch am ehesten ›dunkelblond‹. Aber seien Sie jetzt nicht eingeschnappt. Das hat nichts mit Ihren erzählerischen Fähigkeiten zu tun. Entweder eine Darstellung paßt, dann ist sie zumeist unpräzise. Ist sie präzise, verfälscht sie die Wirklichkeit. Das ist meine Erfahrung. Und deshalb möchte ich Sie in Tilanders Bar dabeihaben.«
»Also gut, dieses eine Mal. Um Ihnen zu zeigen, wie sehr mir die Sache am Herzen liegt.«
»Warum tun Sie das eigentlich?«
Mortensen überlegte. Dann sagte er: »Ein Gefühl der Schuld.«
»Sie hätten den Mord doch gar nicht verhindern können.«
»Es geht um etwas Irrationales. So, als hätte ich dieses Verbrechen erst dadurch ermöglicht, indem ich Thomas Marlock gefolgt bin. Ich habe ihn sozusagen ausgesucht. Ihn zum Opfer gestempelt.«
»Klingt ziemlich mystisch. Eigentlich nicht mein Geschmack.«
»Meiner auch nicht. Aber so sind Gefühle. Sie tauchen einfach auf. Und sind sie blödsinnig, so kann man auch nichts dagegen tun. Ich fühle mich gezwungen, etwas zu unternehmen, um einen Unschuldigen aus der Bredouille zu boxen.«
»Sie wollen boxen?« fragte Cheng mit gespieltem Erstaunen.
»Nicht direkt«, sagte Mortensen. »Ich bezahle, und Sie boxen. Im übertragenen Sinn, selbstverständlich.«
»Eine Frage noch?«
»Ja?«
»Stört es Sie gar nicht, eine derart heikle Aufgabe an einen Krüppel zu übertragen?«
Mortensen legte seine Stirn in Falten. Dann sagte er: »Da ist schon was dran.
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