Ein Sturer Hund
saß.
»Fahr einfach mal los. Ich denke, wir werden die Herrschaften bald zu Gesicht bekommen.«
»Und was ist, wenn diese Schweinchen mein kleines Auto mit einem Sender bestückt haben? Was dann?«
»Unsinn. Rosenblüt kann sich wohl denken, daß wir wissen, daß er uns seine Leute hinterhergeschickt hat. Gut, alles muß seine Ordnung haben. Ein bißchen Tarnung. Ein bißchen Abstand. Aber ein Sender? Nein.«
Als man nun durch eine Landschaft fuhr, deren schneebedeckte hügelige Flächen teils im Licht glänzten, teils in einem blaugrauen Schatten lagen und die in ihrer glatten Gewölbtheit an Purcells Bauch erinnerten, da war im Rückspiegel nichts zu erkennen, was auf eine Verfolgung hinwies. Selbst als Purcell den Wagen auf einem erhöhten Punkt parkte, sah man auf der abwärts sich schlängelnden Straße bloß einen Autobus.
»Sie werden kaum mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinter uns her sein«, äußerte Cheng. »Etwas mit Rosenblüts Knechten muß schiefgegangen sein.«
»Vielleicht haben sie verschlafen. Zu viele süße Träume. Vielleicht auch ist ihr Wagen im Eimer.«
»Ja, solche Sachen passieren.«
»Oder doch ein Sender«, sagte Purcell und begann seinen Fiat zu überprüfen. Er kannte die Stellen, die sich eigneten. Schließlich konnte man so was nicht einfach in den Benzintank einwerfen. Doch soweit Purcell feststellen konnte, war alles in Ordnung.
»Laß uns zurückfahren«, ordnete Cheng an.
Gleich nachdem sie das Ortsschild von Zweiffelsknot passiert hatten, wies Cheng seinen Chauffeur an, er solle halten.
»Du fährst jetzt allein weiter«, sagte Cheng. »Einfach in der Gegend herum. Zwei, drei Stunden, ohne dich um irgendwas oder irgendwen zu kümmern. Zu Mittag treffen wir uns dann im Hofnarren . Klar?«
»Du gibst die Anweisungen.«
»Genau.« Damit stieg Cheng aus und öffnete die Hintertüre. Lauscher sprang überraschend flink und behende ins Freie und markierte einen Schneehaufen. Sein hellgelber Urin zog eine spiralige Spur in das Feld unzähliger Kristalle. Ein Geräusch, als brenne ein Adventskranz. Danach hüpfte Lauscher wild umher und stöberte mit seiner Schnauze im Schnee. Er hatte so seine Momente, richtiggehende Anfälle der Beweglichkeit und des hundeartigen Auftritts. Zwanzig, fünfundzwanzig Sekunden. Länger dauerte das nie. Danach verfiel er in seine alte Ordnung. Und Cheng war dann ein jedes Mal erleichtert, da er Lauschers kurzfristige Vitalität als hysterisch empfand und sie ihn ängstigte. Was ihn ängstigte, war die Vorstellung, daß genau ein solcher Energieschub den Tod seines Hundes einläuten könnte.
Was aber auch diesmal nicht geschah. Augenblicklich war alles wieder beim alten und Lauscher folgte auf die gewohnt verträumte Weise seinem leicht hinkenden Herrchen. Dieses Herrchen trat nun durch ein Tor, das am Rande eines verbliebenen Teils der Klostermauer in eine von hohen Bäumen beherrschte Parkanlage führte. Über einen freigeschaufelten Weg bewegte sich Cheng auf das Münster zu, ließ sich aber dann von einem Wegweiser nach links leiten, hinüber zu jenem Anstaltstrakt, in dem das Informationszentrum untergebracht war. Hin und wieder sah er sich um, ob ihm nicht doch Rosenblüts Leute folgten. Aber er konnte niemand entdecken. Erst vor dem Eingang zur Information befanden sich einige Menschen. Freilich keine Polizisten. Mit Sicherheit nicht. Sie standen viel weniger im Schnee, als daß sie in ihm steckten, die Füße wie eingetopft. Solcherart erinnerten sie Cheng an die silhouetteartigen Zielscheiben auf vielen Schießplätzen. Und das war nun ein Vergleich, gegen den die meisten hier nichts einzuwenden gehabt hätten. Der Drogenentzug stand ihnen wie ein Markenzeichen ins Gesicht geschrieben.
Cheng nahm Lauscher an die Leine und betrat die kleine Halle. Wie er jetzt und dann auch später feststellen mußte, besaßen die Innenbereiche der Anstalt jene Gesichts- und Reizlosigkeit, die ihm auch an seinem ersten Hotelzimmer so unangenehm aufgestoßen war. Alles hier erwies sich als blitzsauber und völlig hausbacken. Jedoch ohne daß aus diesem Hausbackenen etwas Weltanschauliches herausgesprungen wäre. Die Biederkeit schien direkt aus dem Himmel zu kommen. Und damit ist nicht der Himmel Gottes gemeint.
Die Dame, die hinter einer dicken Glasscheibe saß, lächelte Cheng an und versuchte dabei, eine asiatische Mimik zu kopieren. Auch sprach sie zunächst mit ihm, als würde sie ihn für einen Touristen halten. Weshalb Cheng sich beeilte zu
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