Ein sueßer Kuss als Antwort
und nicht meines.“
Beth bestand darauf, eine ruhige Stelle für das Picknick zu suchen, was nicht einfach war, da an diesem Tag der Ballonaufstieg stattfinden sollte und die Menschen nur so in den Hyde Park strömten, um dem Spektakel beizuwohnen. Die Seagrove-Kinder und Estelle bildeten da keine Ausnahme. Die Veranstaltung zog so viele Schaulustige an, dass sogar der Strom der Equipagen, der sich nachmittags durch den Park bewegte, ins Stocken geriet. Neben Reitern auf Pferden aus den edelsten Gestüten und herausgeputzten Dandys sah man Damen der besten Gesellschaft und gefeierte Schönheiten. Im strahlenden Sonnenschein plauderten die Menschen ungezwungen miteinander, wobei Gesprächsthema Nummer eins natürlich der Ballonaufstieg war.
Lucas, der die Kutsche, in der Miss Lacy und seine Töchter saßen, zu Pferde begleitete, fiel die kleine Picknickgesellschaft rein zufällig auf – oder vielleicht auch, weil dem Anblick ein gewisser Zauber innewohnte. Er schwang sich aus dem Sattel und betrachtete die Szene. Die Erwachsenen lagerten friedlich im Schatten einer Buche, während die Kinder auf der Wiese Fangen spielten. Auf einem weißen Damasttuch im Gras waren allerlei kulinarische Köstlichkeiten ausgebreitet.
Eine Gestalt in der Runde zog Lucas’ Blicke besonders auf sich. Eine Frau in einem hellen, zartblau gemusterten Kleid, das im Rücken mit einer Schleife gerafft war. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt, um den Ballon beobachten zu können, und ihre Haare, denen die Sonne rötliche Glanzlichter aufsetzte, flossen ihr in einer Kaskade über den Rücken. Mit ihrem seidenen Haarband wirkte sie wie ein junges Mädchen, obwohl ihr Körper der einer erwachsenen Frau war.
Als der Ballon am Horizont immer kleiner wurde, wandte Eve den Blick von ihm ab und sah zu den Kindern hinüber. Beths Jungen waren eigentlich ein bisschen zu wild, um mit einem Mädchen zu spielen, aber Estelle gab ihr Bestes, um mithalten zu können. Plötzlich hielt ihre kleine Tochter jedoch inne. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, und sie rannte aufgeregt zu Eve.
„Mama!“, rief sie. „Da drüben sind Sophie und Abigail!“ Damit hüpfte sie schon auf die Kutsche zu, in der ihre neuen Freundinnen saßen.
Eve stand auf und eilte ihrer Tochter leichtfüßig hinterher.
„Sarah! Wie schön, Sie zu treffen!“ Sie wandte sich den Kindern zu: „Habt ihr euch auch den Ballonaufstieg angesehen?“
„Ja“, antwortete Sophie mit leuchtenden Augen. „Es war schrecklich aufregend!“
„Und er hat ein Geräusch gemacht … wie ein Drache“, fiel Abigail ein.
„Die Kinder waren ganz außer sich vor Begeisterung“, sagte Sarah lächelnd. „Sie hatten so etwas ja noch nie erlebt.“
„Ich habe dergleichen auch noch nie gesehen.“ Plötzlich kam Eve eine Idee. „Warum steigen Sie nicht aus und setzen sich zu uns, Sarah? Es wäre wundervoll, wenn die Mädchen miteinander spielen könnten – und es ist auch noch jede Menge zu essen da.“
„Das wird nicht möglich sein, Mrs. Brody. Ich weiß Ihr großzügiges Angebot zu schätzen, doch Miss Lacy und die Kinder müssen leider nach Hause.“
Eve wirbelte herum und sah geradewegs in Lord Staintons Gesicht. Seine Miene war undurchdringlich, aber seine eisblauen Augen funkelten spöttisch. Lässig stand er gegen die Kutsche gelehnt. Er trug einen pflaumenfarbenen Reitrock und helle Reithosen. In seinen auf Hochglanz polierten Stiefeln hätte man sich spiegeln können. Eine unglaublich männliche Ausstrahlung ging von ihm aus. Schlägt deshalb mein Herz so heftig? fragte sich Eve. Sie konnte sich ihre starke Reaktion auf Lord Stainton nicht erklären.
„Wie geht es Ihnen, Mrs. Brody? Keine Kopfschmerzen heute?“, fragte Lucas und deutete eine Verbeugung an.
„Es geht mir gut. Danke der Nachfrage“, erwiderte Eve kühl.
„Nie hätte ich vermutet, Sie hier anzutreffen.“ In seinem Ton klang eine leise Kritik an.
„Und warum nicht? Das Spektakel hat mir großes Vergnügen bereitet, fast so viel wie den Kindern.“ Neben ihr hüpfte Estelle auf und ab, um ihre Freundinnen in der Kutsche besser sehen zu können. „Aber meinen Sie nicht, es wäre dem Wohlergehen Ihrer Töchter zuträglich, wenn sie ein bisschen an der frischen Luft spielen könnten? Estelle würde sich sehr darüber freuen.“
„Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass wir zurück müssen.“ Lord Stainton war nicht bereit, seine Pläne von Mrs. Brody durchkreuzen zu lassen.
Die armen
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